Bayern, das Land der Könige, der Königstreuen, der Märchen und der #Herzkammer

Märchenhafte erste Ausgabe der Herzkammer, dem neuen Magazin der CSU-Fraktion.
Märchenhafte erste Ausgabe der Herzkammer, des neuen Magazins der CSU-Fraktion.

Es war einmal, und so, liebe Kinder, fangen alle Märchen an, es war einmal ein Königreich, in dem es den Menschen gut ging. Der König regierte mit ruhiger Hand und stolperfreiem Herzen, die Königstreuen hatten die alleinige Mehrheit in der öffentlichen Standesversammlung und hielten mittels der Änderung der Standesversammlungsgeschäftsordnung die wenigen nicht-königstreuen Abgesandten in Schach.
Eines Tages jedoch gefielen sich die Königstreuen nicht mehr in der Darstellung. Sie fühlten sich von der Präsenz des Königs und seines mantrahaften ‚Passt scho‘ überdeckt und beschlossen, eine eigene Broschur herauszugeben. Diese Broschur sollte zeigen, dass alle Macht des Königs nur von den Königstreuen ausging. Sie, die Königsmacher und König-Gewährenlasser feierten sich als Herzkammer der Königs-Demokratie. Sie pressten diese Ansicht zwischen zwei königsblaue Mattglanz-Kartonagen, die sie, so der Anführer der Königstreuen, mit hochwertigen Essays, Reportagen und Informationstiefe füllten. Zeitgleich wollte man auch das Netz für sich einnehmen und schalteten eine Mehrwert-Netzseite frei. Dort sollte jeder Untertan seinen königstreuen Vertreter personalisiert erleben können. Angereichert mit Audio und Video, so die königstreue Tanja Schorer-Dremel, würden die Untertanen zeitgleich über die harte Arbeit in der Ständeversammlung wie auch vor Ort informiert. Selbstverständlich wurde bei den Königstreuen neben dem König auch Gott die Ehre gegeben und so zeigte die Regionalstatthalterin des Königs stolz ein Foto von sich im Mortuarium des Eichstätter Domes.

Schon 71 Regionalstatthalter beteiligten sich an der Netzausgabe, es fehlten nur noch märchenhafte 40(!) Statthalter der Königstreuen, so Tanja Schorer-Dremel. Thomas Kreuzer, der Anführer der 101 DalmaKönigstreuen, zeigte sich aber siegesgewiss, dass „der eine oder andere noch mitzieht“.
Drei- bis viermal im Jahr würde sich die Herzkammer, so nannten die Königstreuen ihre Broschur, aktueller Themen annehmen, die das Königreich bewegen. Gleich in der ersten Ausgabe beleuchtete man das heiße Eisen „Integration“. Natürlich die der anderen.
Und wenn die Herzkammer nicht gestorben ist, so wird es noch weitere märchenhafte Ausgaben geben.

„Der wichtigste Schutz ist, dass man in der Masse untertaucht“

Dass das Internet alle Lebensbereiche verändert, hat sich herumgesprochen. Der eine akzeptiert das und spielt nach den neuen Regeln mit, der andere verweigert sich. Und Journalisten? Die bedienen sich des Internets, hinterlassen aber oft genug in sensiblen Situationen verräterische Spuren.
Auch ohne die (derzeit noch umzusetzende) Vorratsdatenspeicherung haben Wirtschaft, Staat und Geheimdienste genügend Mittel, Spuren zu erfassen, auszuwerten und zuzuordnen. Grund genug, ein Podium zu veranstalten, auf dem zwei Investigativ-Journalisten aus der Praxis erzählen.

Wolfgang Heinzel, Jan Berger, Wolfgang Messner und Peter Welchering diskutieren über investigativen Journalismus.

Peter Welchering betonte einmal mehr, dass viele Journalisten fahrlässig mit dem Internet umgingen. Sein Kollege Wolfgang Messner gibt Welchering Recht und beklagt seinerseits, dass er selbst wahrscheinlich im Netz zu viele Spuren hinterlasse, da ihm diesbezügliche Techniken nicht geläufig sind.
Und so sehr die E-Mail verschlüsselt werden sollte, so sehr schätzt Peter Welchering die Postkarte an Informanten:

 

Die Notwendigkeit zur Weiterbildung ist laut Welchering noch nicht in den Chefetagen der Medien angekommen.

 

Gibt es denn einen Unterschied zwischen Wirtschaft, Staat und Geheimdiensten? Wie macht sich bemerkbar, dass Geheimdienste einem auf der Spur sind? Peter Welchering gibt den Stand einer Recherche im Umfeld des Attentates auf die Redaktion von Charlie Hebdo wieder, der deutlich macht, wie sehr Journalisten überwacht werden.

 

Wenn Sie keinen Estrich legen können, können sie auch keine Fliesen legen

Die Vorratsdatenspeicherung - ist die nun schlecht oder gut? Zumindest klingt sie auf dem Papier ja sehr zahm. Und wie ist das mit dem Schutz von Journalisten und Whistleblowern? Gibt es Mittel, der Überwachung zu entgehen?

 

Ausblick: Wirken sich die neuen Techniken auf den Journalismus positiv aus? Wird es neue Formate geben? Oder muss man eher pessimistisch sein, was die Entwicklung angeht?

 

Das Gespräch moderierte Jan Berger, assistiert von Wolfgang Heinzel. Es fand am 28. Oktober auf Einladung des Fachausschusses Neue Technik/Online des DJV Baden-Württemberg statt.
Wolfgang Messner ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seinen Job bei der Stuttgarter Zeitung hat er hingeschmissen. Nachdem er mehrere Preise gewonnen hatte, wurde er dem Verlag unbequem. Er will nun Journalisten in Recherche unterrichten.
Peter Welchering ist Journalist und Dozent. Er ist froh, für öffentlich-rechtliche Anstalten zu arbeiten, bei denen in heiklen Situationen schon mal Justiziare einen Schriftsatz aufsetzen. Er stimmt Messner zu, dass Verlage das meistens nicht mehr im Kreuz hätten.

Philologen wollen Digitales Lernen - Die Infrastruktur passt aber nicht

Michael Schwägerl und Max Schmidt stellten die Onlinebefragung vor.
Die gute Nachricht zuerst: „Das Digitale Zeitalter ist in der Schule angekommen, die Kreidezeit überwunden“, konstatiert Michael Schwägerl das Ergebnis einer Online-Umfrage unter den Mitgliedern des Philologenverbandes. Der stellvertretende Vorsitzende der Bayerischen Philologen macht allerdings auch klar, dass die Digitalisierung der Schulen keineswegs nur Anlass zum Jubeln bietet. Genauso sieht das auch Max Schmidt. Es scheitert vor allem an einem: Die Geräte sind schnell veraltet, Investitionen zu tätigen ist für einen Schulträger, zumeist Kommunen, einem finanziellen Selbstmord gleichzusetzen:

Nicht nur die Geräte sind veraltet, die PC-Räume sind es auch. Und viel zu wenig wird daran gedacht, dass sich der Computer, das Tablet, das Smartphone in alle Unterrichtsbereiche einklinkt. Mangels fehlender Infrastruktur wie breitbandigen Internetzugängen, die auch mal mehrere 100 Schüler auf einen Schlag verkraften können wird „Online“ in der Schule zur Geduldsprobe. Max Schmidt bemerkte richtig, dass es nicht damit getan ist, dass „der Söder in jeden Keller eine Glasfaser legt“. Sinnvoller und zuverlässiger Einsatz kenne fast nur eine einzige Chance: Bring Your Own Device - die Schüler müssten ihr eigenes Gerät mitbringen. Dreiviertel aller Lehrer würden gerne mehr digital arbeiten. So wundert auch nicht, was Michael Schwägerl als Fazit aus der Befragung vorstellt:

60 Prozent wünschten sich laut bpv, Onlinemedien noch besser einsetzen zu können. Daraus resultieren am Ende laut Schwägerl diese Forderungen:

Die Ergebnisse der Onlinebefragung hat der Philologenverband in dieser Präsentation aufbereitet.

Kommentar:
Es ist richtig, dass eine vernünftige Infrastruktur der erste Schritt hin zu sinnvoller Digitaler Nutzung ist. Deswegen braucht es (zumindest für Schulen) finanziell erschwingliche Lösungen. Mobilfunkprovider, mithin das Abwälzen der Kosten auf den einzelnen Schüler fallen als Alternative aus, da diese in Deutschland keine akzeptablen Volumina anbieten. Eine andere Sache ist die Geräteausstattung. Es wäre nicht hinnehmbar, wenn jede Schule ihren Schülern das Device vorschreiben würde, das im Unterricht zu verwenden sei. Gleichwohl fällt auf, dass die meisten Schüler für den Unterricht brauchbare Geräte haben. Wenn man in einem großen Schritt hinginge und von Software-Seite her auf offene Formate/Standards setzte, dazu sich auf dem Markt umsähe, was von Verlagen unabhängige Schulbücher zu leisten im Stande sind, dann wäre schon mal was erreicht mit der Verbesserung der Digitalisierung unserer Schulen. Aber: Solange man in Antworten auf diesbezügliche Fragen mit dem Hinweis auf Linux und Windows abgespeist wird, haben die Lehrer nicht nicht ganz verstanden, um was es geht. Von den Fachministern schweige ich an dieser Stelle lieber.

Nicht schon wieder Zukunft des Journalismus - aber es muss sein.

Letzte Ausgabe der Nürnberger Abendzeitung
Letzte Ausgabe der Nürnberger Abendzeitung
Zur Zukunft des Journalismus wurde viel geschrieben und wird noch viel geschrieben werden. Zu sehen, dass sich etwas ändern wird, braucht es keine hellseherischen Fähigkeiten. Die Fakten sprechen für sich. Als 2012 die Nürnberger Abendzeitung in Insolvenz ging, machte ich mit Klaus Schrage ein Interview. Abseits der Nostalgie, die für einen Nürnberger mitschwingen mag, analysierte er den Niedergang der Abendzeitung präzise:

Einige Zeitungen sind seither vom Markt verschwunden, als nächstes wird es die Offenbacher Zeitung treffen. Die Abendzeitung München hat einen Umkehrschwung geschafft, mit neuem Verleger und geringfügiger Neuausrichtung ist sie noch am Markt. Klar, dass dort Kollegen fehlen. Wie zum Beispiel Kollegin Angela Böhm, von manchem Politiker ehrfurchtsvoll als Trüffelschwein der Landespolitik bezeichnet. Sie war es, die die Verwandtschaftsaffäre in der Bayerischen Politik aufdeckte.

Gestern war ich auf einer Medientagung im katholischen Umfeld. Dass sich die Kirche mit neuen Medien und Medien generell schwer tut, ist ein offenes Geheimnis. Zur letzten Vollversammlung der Deutschen Bischöfe konnte ich mich als Blogger nicht anmelden. Ich wurde einfach nicht zugelassen.

Professor Andreas Büsch, der die Kirche im weiten Feld der Medien und Medienkompetenz berät, brachte das Problem in Fulda auf den Punkt:

(Sie tragen bitte ein ,o‘ nach.)

Eine Kollegin der ZEIT bzw. von Christ + Welt, die als Beilage zur Zeit erscheint (auch das ein Phänomen des Zeitungssterben!) hielt sozusagen als „advocatus diaboli“ ein Referat, in dem sie Print lobte und das Medienverhalten Jugendlicher monierte. Zuviel online, etc., ich führe das hier nicht aus. Nachmittags war eine Diskussionsrunde angesagt. Die Kollegin brachte zum Schluss einen Satz bezüglich ihrer Zukunft:

Mich hat der Satz zum Nachdenken gebracht. Der Drang, sich mit Online zu beschäftigen, sei bei ihr nicht übermäßig ausgeprägt. Nun gut. Bedenklich finde ich, dass die Kollegin wohl weiß oder ahnt, dass sich Medien wandeln werden, sie aber keine Veranlassung sieht, sich umzutun.

Ich selbst habe noch Anfang der 90er so Sachen wie Klebeumbruch gelernt.
Kurz gefasst: Wir haben Texte auf einen alten 486er-PC eingespielt, diese ausgedruckt und mit Schere und Klebstoff einen Satzspiegel hergestellt. Der Setzer brachte das dann in die Form.
Nach dem Volontariat ging ich ins Radio. Aber das nur am Rande.

Mich hat die Einlassung der Kollegin zum Nachdenken gebracht, auch das kurze Gespräch im Anschluss an die Diskussionsrunde. Es geht mir als Onliner mit Derivaten im Print nicht darum, hier Bashing zu betreiben. Mir geht es darum, ein paar Fragen anzudenken, auszusprechen. Fragen, die ich gerne auch Euch, meinen Kollegen, den Lesern weiter reichen möchte. Dieser Beitrag soll ein Diskussionsforum sein, moderiert, aber recht offen.
Meine Sicht auf die Zeitungswelt sieht (vielleicht zu rosa-hoffnungsvoll gefärbt) so aus:
Wochenzeitungen wie die ZEIT werden überleben. Sicher anders als (noch) derzeit aufgestellt. Aber diese Zeitungen werden das machen, was sie bislang konnten und machten: Reportagen, Essays, Hintergrund.
Die Tageszeitung hingegen wird sich anschauen und umschauen müssen.
Nicht betrachtet den Anzeigenmarkt, der für diese Blätter eminent wichtig ist (auch das eine Erkenntnis aus der Medientagung!). Für die Tageszeitungen sehe ich folgendes Szenario:
Sie werden in reduzierter Form überleben können, wenn sie es schaffen, ihre Inhalte digital zu vermarkten. Nicht schreierisch wie derzeit einige hype Portale es machen, sondern genauso seriös, wie es im Print geschieht. Die gedruckte Zeitung wird die zwei- bis dreimal pro Woche gedruckte Dreingabe sein, sie wird Berichte aufgreifen, mit Hintergrund und Diskussion anreichern müssen.
Die Redakteure und Journalisten werden zu Moderatoren werden müssen.
Mittelfristig wird sich, auch wenn die Tageszeitung nie ganz stirbt, das Geschehen online abspielen und konzentrieren.

Die Aufgabe der Verlage wird sein, Erlösmodelle zu schaffen. Die Bezahlschranke wird, anders als heute, ein wichtiger Baustein sein. Zugegeben: Die meisten Verlage sind halt auf den Internet-Hype aufgesprungen, haben ihre Inhalte dort kostenlos hergegeben und versuchen nun, Leser zum Bezahlen zu kriegen.
Es wird ein hartes Stück Arbeit sein. Der Journalismus muss es uns wert sein.
So reizvoll Stiftungen sein mögen, die das Wort in seiner gedruckten Form pflegen, ich glaube nicht an eine Zukunft dieser Form. Zu stark sind da dann auch öffentlich-rechtliche Sender involviert, die sich mehr und mehr regionalisieren. Ich beobachte das (nicht mal mit Argwohn!) grade beim Bayerischen Rundfunk. Der hat den Vorteil, sich aufgrund einer abgabefinanzierten Exklusiv-Situation neu aufzustellen. Trimedial.

Und überhaupt, das ganz ins Unreine gesprochen, werden die Grenzen weiter verschwimmen. Das Netz bietet auch Zeitungsverlagen die Möglichkeit, mit Audio und Video zu punkten.

Was mir in der ganzen Diskussion seit einigen Jahren auffällt: Es wird gejammert. Bislang noch auf hohem Niveau, aber es wird gejammert. Warum schaffen es Zeitungen nicht, sich ohne (große) Auswirkungen auf die Belegschaft - und bei Beibehaltung des bisherigen Niveaus - ins Internet zu verlagern? Warum machen sie halbherzig und mehr oder minder kostenfrei Angebote, die mich abhalten, das Printprodukt am nächsten Tag zu kaufen?

Das sind die wahren Geschichten, finde ich, die wir als Medienschaffende erzählen und begleiten müssen. Es bringt auch nichts, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht. Es braucht eine Generallösung, die für alle, sei es Zeitungen, sei es Öffentlich-rechtlich, sei es Blogger, beschritten werden kann.
Und der Kunde ist alles.
Aber nicht der Feind.

Diskutieren wir?
Ich komm auch gerne vorbei, um das in Audios zu fassen.
Dann kann ein Comeback einer Zeitung nicht ausgeschlossen werden.
Klaus Schrage nochmal aus dem Jahr 2012:

Lasst uns diskutieren!