„Jeder gemütskranke König in der 3. Generation wäre hier gerade hilfreicher als das armselige politische Personal des Freistaats Bayern, kann das sein?“ – Dieser Satz steht so auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung vom 14./15.02.2020 und soll von Professor Bazon Brock stammen. Getätigt hat er ihn, so die SZ, auf der Geburtstagsfeier von Hubert Burda. Auf der soll der Konzertsaal München wohl auch ein Thema gewesen sein.
Die Bayern und das Gemüt. Dass in der Konzertsaaldebatte durchaus auf hohem Niveau diskutiert wird, Argumente statt Maßkrügen fliegen, ist ein augenfälliger Aspekt. Nicht, dass man dem Bayern attestieren müsse, er sei der Bierdimpfeligkeit entwachsen, das kann er zur rechten Zeit immer noch gut, nein: es ist auch nicht der vermeintlichen „Hochkultur“ geschuldet, dass hier emotional, aber ohne Dreck zu werfen diskutiert wird. Der Konzertsaal ist Gegnern wie Befürwortern ein Herzensanliegen. Wenn man, so wie ich, Twitter durchfiltert nach „#Konzertsaal” oder „Konzertsaal“. Vielleicht fallen die kritischen Stimmen auch nur deswegen nicht so auf, weil sie den Hashtag meiden - oder meine Filterbubble zuschlägt. Wobei ich meine Follower nicht nach Gegner- oder Befürworterschaft sortiere.
Sicher hat München größere und drängendere Probleme als einen Konzertsaal. Flüchtlinge, allgemeine Wohnungsnot, ein allgemeines Preisniveau, dass einen die Ohren anlegen lässt, die Liste ließe sich lang fortsetzen. Und in Abrede mag niemand stellen, dass der Konzertsaal eher ein Thema weniger Menschen denn der breiten Masse ist. Und doch: Vergessen wir nicht, dass das Drumherum um einen Konzertsaal nicht zu vernachlässigen ist. So ein Konzertsaal ist ja nicht nur ein seelenloser Betonklotz, der in der Gegend steht, er ist erfüllt mit Leben und erfüllt andere Zweige mit Leben, die Bauwirtschaft, den Tourismus allgemein und, ja, die „Konzerttouristikbranche“ im Speziellen. Apropos Konzerttouristikbranche: Eine schon (teils spöttisch) diskutierte Variante zu einem Konzertsaal in München wäre eine ausgeprägte Reisetätigkeit gerade des vornehmlich heimatlosen Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Die Busse des BRSO wären dicht gefolgt von den Bussen der Konzertbesucher, die durch Bayern und seine Gauen fahren würden. Die Busunternehmer würden sich die Hände reiben. Und wie ich diese Branche kenne, gäbe es schnell findige Unternehmer, die das Glas Prosecco und Fingerfood bei Hin- und Rücktransport einpreisten, mit entsprechendem Aufschlag versähen und gut verdienten. Abgesehen von den Bildern, die in meinem Kopf ablaufen, weil ich die Busbranche nach zehn Jahren als Fahrer doch recht gut kenne, ist da wenig dran, dem der „gemeine“ Konzertinteressent etwas Angenehmes abringen könnte.
Das schlechte Schweigen
Die Debatte ist also in vollem Gange. Und als sicher darf gelten, dass man in der Staatskanzlei sehr wohl wahrnimmt, welcher Protest sich regt. Vom Bariton Christian Gerhaher, der im Konzert um Protest bittet bis hin zu Dirigent Andrea Marcon, der den Text einer zuvor von ihm dirigierten Bach-Kantate rezitiert und auf München münzt.
Auffällig ruhig sind die Münchner Philharmoniker. Das mag das wenig verwundern. Sie sind in Lohn und Brot der Stadt. Und wes‘ Brot ich ess‘, des Gasteig-Umbau begrüße ich. Nur: Hilft Schweigen der Sache?
Es mutet an, als ob das Schweigen für einen verbesserten Konzertsaal im Gasteig in Kauf genommen würde um einer Stagnation des Musiklebens in München. Denn: auch nach einem Umbau gibt es keinen Platz mehr für die wachsende Zahl der Klassikfreunde.
Zumal das Schweigen auch noch eine unheilige Folge hat: Es ist ja nicht nur der Wettbewerb der Münchener Orchester und die Stagnation in der Entwicklung, sondern: Es wird weiterhin keine Planungssicherheit geben. Weder für Philharmoniker, Symphonieorchester, private Konzertveranstalter noch - international. Viele „Stars“ meiden den Gasteig wegen der Akustik, meiden also München mit seinem lebendigen Klassikleben. Schon jetzt. Und das soll sich bessern mit einem Wanderzirkus zwischen Herkulessaal und Gasteig?
Aus diesem Traum sollten die Philharmoniker aufwachen.
Und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks?
Die Musiker, die Dirigenten, der Manager - sie äußern sich treffend, wie schon oben am Beispiel von Andrea Marcon gezeigt.
Also alles gut?
Was mir fehlt: Nicht alle zur Verfügung stehenden Kanäle werden bespielt und ausgezunutzt. Das punktuelle Schweigen und Nicht-Gebrauchen eines eigenen Kommunikationsweges ist aber eher unklug, wenn man das gute Ziel einer „eigenen“ Heimstatt verfolgt. Alleine, um den derzeit zwischen ziemlich vielen Fronten stehenden Intendanten Ulrich Wilhelm zu entlasten und gewissermaßen aus der Schusslinie zu kriegen, wären einfache Informationen hilfreich. Mit Bordmitteln, wie ich als Linuxer sagen würde. Die Kolleginnen und Kollegen Journalisten im Funk mühen sich. Der Konzertsaalverein müht sich, über 10.000 Münchner, die die Petition bislang unterzeichneten, sind kein Pappenstil. Die Freunde des Symphonieorchesters sind rührig.
Was kostet eigentlich so ein Konzert im Hintergrund? Logistisch: Was kostet ein Transport von Instrumenten, Noten, Notenständern, Kleiderkoffern, Zubehör? Was kosten die Männer/Frauen, die den Transport, den Aufbau und Abbau bewerkstelligen? Was kostet die Saalmiete? Und daraus resultierend: Wie setzt sich ein Defizit zusammen, vielleicht auch im Hinblick auf den Herkulessaal? Das und andere Posten sind Argumente, um Verständnis dafür einzuwerben, dass der BR den Konzertsaal nicht mitfinanzieren darf, gleichwohl aber Kosten auf sich nimmt, um Musik zu Gehör zu bringen. Dürre Zahlen.
Dürre Zahlen, die dem einen oder anderen Bayern das Gemüt beruhigen würden und ihn vielleicht auch zu einer anderen Entscheidung bewegten.
Einen zusätzlichen Konzertsaal für München zu bekommen, ist nämlich gar nicht so abwegig, auch wenn der Beschluss von Staatsregierung und Mehrheit des Landtages derzeit entgegensteht.