Sonderausstellung Warschauer Aufstand im Dokuzentrum

Morgen öffnet im NS-Dokumentationszentrum in München eine Sonderschau zum Warschauer Aufstand von 1944. Die Schau wurde in Zusammenarbeit mit dem Warschauer Museum konzipiert, das sich ganz diesem Aufstand verschrieben hat.

Winfried Nerdinger, Direktor des Dokuzentrums beim Rundgang mit dem polnischen Vizeaußenminister.

 

Polen war das erste Land, das Hitler-Deutschland besetzte und hier war der Widerstand besonders groß. Das führte zum Aufstand am 1. August 1944. Dieser ist nicht mit dem Aufstand im jüdischen Ghetto 1943 zu verwechseln. Was folgte, war ein beispielloser Vergeltungsakt von Heinrich Himmler und Adolf Hitler. Lebten 1939 noch 1,3 Millionen Menschen in Warschau, eine Größe vergleichbar mit dem heutigen München, waren es nach der Niederschlagung nur noch knapp 1000 Menschen. Direktor Winfried Nerdinger erzählt:

 

 
Alle Infos gibt es zeitnah auf der Website des Dokuzentrums.

Zahlreiche Texttafeln geben die Geschichte des Aufstands wieder, ergänzt um einige Exponate.

„Was lange währt, wird endlich besser“

Heute hat Kunstminister Ludwig Spaenle den Ausschuss des Bayerischen Landtages über den weiteren Fortgang in Sachen Konzertsaal informiert. Die Staatsregierung hatte gestern beschlossen, dass das Werksgelände (Pfanni) und die Postpakethalle als Favoriten weiter verfolgt werden sollen.

Kunstminister Spaenle informierte den Ausschuss im Landtag, rechts Vorsitzender Piazolo

Noch in dieser Legislaturperiode, also bis 2018, soll der Baubeginn erfolgen. Im Dezember will Kunstminister Ludwig Spaenle seine und die Entscheidung der Lenkungsgruppe bekanntgeben. In dieser Gruppe sind unter anderem Mitglieder des Finanzministeriums und des Wissenschaftsministeriums. Im Doku-Service hier also der O-Ton des Ministers zu Procedere der Bewertung durch das Büro Speer und alles rund um den Konzertsaal:

(12MB / 13:37)

Den Grünen im Bayerischen Landtag ist das nicht ausreichend. Der kulturpolitische Sprecher Sepp Dürr wollte auch wissen, was passiert, wenn die Verhandlungen mit den „Privaten“ scheitern:

Der Minister legte nach, um transparent zu machen, wie die Entscheidung fiel:

(4MB / 4:31)

Ein Baubeginn bis 2018 ist angestrebt, wann der Konzertsaal dann steht, wusste gestern auch Ludwig Spaenle nicht zu sagen:

Konzertsaal München: Prüfung von Werksgelände und Postpakethalle

Wenn Horst Seehofers Wort gilt, dass der Konzertsaal bis 2018 kommen soll, darf er sich beeilen. Im Kabinett wurde heute beschlossen, die Standorte Pfannigelände (Werksviertel) und Postpakethalle vertieft zu prüfen. Bis Ende des Jahres soll eine endgültige Entscheidung durch Staatsminister Spaenle gefallen sein.

Der Leiter der Staatskanzlei, Staatsminister Dr. Marcel Huber und Daniela Philippi, Pressesprecherin der Staatskanzlei

Hier der O-Ton des Staatsministers:

(6 MB / 5:22)

Nachtrag: Die Postpakethalle bekam nur 67 von 100 Punkten in der Bewertung. Ein Versprecher des Staatsministers.

Der Wortlaut des Pressebulletins findet sich beim BayRVR.

„Ein Schlag ins Gesicht der Staatsregierung“

Unterdessen hat der kulturpolitische Sprecher der Freie-Wähler-Fraktion davon gesprochen, dass das Engagement privater Betreiber ein Schlag ins Gesicht der Staatsregierung und der Stadt München sei. Michael Piazolo:

Für eine Fertigstellung noch in dieser Legislatur sieht Piazolo kaum noch Chancen. 2020 sei realistisch:

Gestern war vom Bariton Thomas E. Bauer das alte Heizkraftwerk in Aubing nicht nur als Ausweichspielstätte, sondern als zusätzlicher Standort eines Konzertsaals ins Spiel gebracht worden. Professor Piazolo zeigt sich offen:

Spaenle: „Eine gute Entscheidung“

In einem Kurzstatement betonte Kunstminister Dr. Ludwig Spaenle, dass die heutige Entscheidung eine gute sei. Wann und wo das Eröffnungskonzert allerdings sei, darauf wollte sich der Minister nicht festlegen:

Am Mittwoch erklärt sich Staatsminister Spaenle vor dem Kunstausschuss des Bayerischen Landtags.

Anfang des Jahres fanden viele Diskussionsrunden zum Konzertsaal in München statt.
Eine Werkschau zum damaligen Stand findet sich hier.

„Wer die Schöpfung nicht liebt, kann kein wirklich guter Christ sein“

Kardinal Reinhard Marx und Prof. Markus Vogt (LMU) stellen die Enzyklika vor.
Sie war mit Spannung erwartet worden - die Enzyklika des Papstes zu Umwelt, Ökologie und Glaube. Am Mittag würdigte Reinhard Kardinal Marx in München das Lehrschreiben. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz spannte einen Bogen von der ersten Sozialenzyklika bis zum heutigen Schreiben: 1891 war es Leo XIII., der mit seiner Enzyklika zur sozialen Frage, d. h. der Arbeiterfrage des 19. Jahrhunderts, die päpstliche Sozialverkündigung im engeren Sinn begründete. Diese Enzyklika war der erste Text lehramtlicher Verkündigung, der sich als ganzer mit dieser Thematik beschäftigte. In der Folgezeit entwickelte sich eine Tradition, die immer wieder aus Anlass von einem Jubiläum von „Rerum novarum“ an diese Linie anknüpfend, die Thematik aufnahm und aktualisierte. Benedikt XVI. hat mit seiner Enzyklika „Caritas in veritate“ 2009 deutlich gemacht, dass es Paul VI. war, der mit seiner Entwicklungsenzyklika „Populorum progressio“ einen zweiten, neuen thematischen Strang innerhalb der Sozialverkündigung eröffnet, den dann Johannes Paul II. mit „Laborem exercens“, „Sollicitudo rei socialis“, „Centesimus annus“ und Benedikt XVI. mit „Caritas in veritate“ weiterverfolgen. Und nun ist es Papst Franziskus, der mit seiner Sozialenzyklika „Laudato si‘“ einen dritten inhaltlichen Strang identifiziert: den der Ökologie. Nicht, dass es keine inhaltlichen Anknüpfungspunkte in der Tradition der Sozialverkündigung gäbe – er nennt auch zu Beginn des Textes einige, um dann aber doch sehr zügig zu seinen eigenen Akzentuierungen zu kommen.

Eine zusammengefasste Einschätzung von Kardinal Reinhard Marx:

Professor Dr. Markus Vogt ergänzte im Rahmen der Pressekonferenz aus seiner Sicht:

Die Enzyklika Laudato si ist hier als pdf herunterzuladen.

Für die, die nicht die Zeit zum Lesen der ganzen Enzyklika aufbringen: Die Kollegen von katholisch.de haben das Lehrschreiben zusammengefasst.

Konzertsaal München: Eine Burleske

Der Konzertsaal in und für München, nein, ganz Bayern, bewegt die Menschen in München, nein, in ganz Bayern, nein, in ganz Deutschland. Die Diskussionen der letzten Monate erschließen sich jedoch als Gesamtkunstwerk. Nicht der Konzertsaal, sondern die Diskussion darob ist Gegenstand.

Offenlegung:
Ich bin Konzertsaalbefürworter, aber mit Humor. Ich erhoffe mir diesen auch von den Akteuren der Burleske.

Das Karussell der Beleidigten …

„Schorsch, mir is fad, wos machmern?“
„Diskutiern ma an Konzertsaal!“
„Jo. Scho.“

Der von mir überaus geschätzte @Robbish_ führt Miniaturdialoge dieser Art jeden Tag auf Twitter. Bei der gefühlt 372. Auflage der Diskussion um einen neuen Konzertsaal in und für München wünschte ich mir die Gelassenheit eines Robbish_, um die ständigen Wiederholungen eines Hans-Georg Küppers und Ludwig Spaenles ertragen zu können. Leider war ich zum Dasitzen und Zuhören verdammt. Auch keine schlechte Übung, wenn man weiß, dass man sich zu späterer Stunde über die Aufführung einer Diskussion zu einem Gespenst auslassen kann.
Dieses Mal also in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Neu im Karussell der Beleidigten waren dieses Mal Mariss Jansons, der Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks und zu Teilen Thomas E. Bauer, Bariton und wie Jansons vehementer Befürworter einer neuen Spielstätte im Millionendorf. Die Positionen von Spaenle und Küppers will ich hier nicht wiedergeben. Sie haben sich im Vergleich zur letzten Woche beim SZ-Forum nicht geändert.
Mariss Jansons, Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, hatte sich schon wieder beruhigt, nachdem er auf einer Pressekonferenz seines Hauses beklagt hatte, dass er zum Narren gehalten worden sei:

Mariss Jansons hat das Preisgeld des Ernst-von-Siemens-Musikpreises in Höhe von 250.000 Euro für einen neuen Konzertsaal versprochen.
Thomas Bauer ist Bariton. Er hat in Blaibach einen Konzertsaal initiiert und ist vielleicht derjenige, der endlich mal mit einer konstruktiven Idee in den Ring trat. Alle reden über einen Standort, Bauer rückte den Fokus zurecht. Es muss ein Konzept her. Seiner Meinung nach heißt das: Konkreter Plan, Menschen bewegen, Geld zu spenden, einen Standort suchen, bauen. Wie in Blaibach. Also die Idee, dann die Finanzgeber, dann der Standort, aber der sehr konkret.

In München wird die Standortfrage scheitern. Derzeit. Das ist der Unterschied zu Blaibach. Es gibt zu viele diskutierte Möglichkeiten. Und es gibt Seehofer, der im Schulterschluss mit Dieter Reiter, dem Münchner Oberbürgermeister, versuchte, die Diskussion zu beenden und sein Master-Plänchen durchzudrücken. Und dann bleibt noch Ludwig Spaenle.
Dem Kunstminister Spaenle war es sichtlich unangenehm, statt seines Chefs Seehofer auf dem Kohlenstuhl sitzen zu müssen. Je länger die Befürworter eines Konzertsaals sprachen, desto unruhiger wurde er. Er schnitt Grimassen. Ein Phänomen, das man bei Spaenle immer beobachten kann, wenn er sich nicht von der Mehrheit der Zuhörer getragen fühlt und er fast platzt, weil er der Meinung ist, dass er alles besser weiß. Ich stelle diesen Umstand nicht mal in Abrede, aber mit seinen Stanzen kommt er auch nicht weiter. Wie beim Gymnasium. Aber das ist ein ganz anderes, vielleicht auch weiteres Feld.
Er versuchte den Spagat zwischen Ministerpräsident, Volk und ähm ja:

Immerhin machte er glauben, dass ihm beim Abend in der Akedemie ein Licht aufgegangen sei.

Ansonsten: Nichts Neues an der Konzertsaalfront.

Don Camillo und die Erinnerung

„Es war eine liebe Zeit, die gute, alte Zeit vor anno 14. In Bayern gleich gar. Damals hat noch Seine Königliche Hoheit der Herr Prinzregent regiert, ein kunstsinniger Monarch, denn der König war schwermütig. Das Bier war noch dunkel, die Menschen war’n typisch, die Burschen schneidig, die Dirndl sittsam und die Honoratioren ein bisserl vornehm und ein bisserl leger. Es war halt noch vieles in Ordnung damals.“
(Text des Vorspanns des Königlich Bayerischen Amtsgerichtes)

Ganz so weit will ich heute in der Zeit nicht zurückgehen. Gestern abend wurde ich aber wieder mal an zwei sehr schöne und glückliche Jahre erinnert. Im NDR-Fernsehen lief „Don Camillo“.

Don Camillo und Peppone (Screenshot: NDR)
Im Studienseminar St. Michael Traunstein hatten wir in den 70-er Jahren ein tolles Gemeinschaftsprogramm. Tagsüber. Ein Hallen- und ein Freibad, verschiedene Bolzplätze, Musikunterricht … dem Drang, etwas zu tun, waren fast keine Grenzen gesetzt. Unvergessen der Schulweg vom Chiemgau-Gymnasium heim auf den Berg, die Schnapsgurtl beim Bäcker und der Ärger … aber das ist eine andere Geschichte.
Der Speisesaal. Ich erinnere, dass wir in der 5. Klasse eine Nachtwanderung machten. Ein Klassenkamerad fing mit der Hand einen Fisch in der Traun. Unser Seminardirektor Engelbert Siebler (heute Weihbischof em.) nahm den Fisch aus und servierte ihn dem Klassenkameraden höchstpersönlich zubereitet zu Mittag.
Der Speisesaal. Ich erinnere, dass wir in der 5. Klasse eine Nachtwanderung machten. Ein Klassenkamerad fing mit der Hand einen Fisch in der Traun. Unser Seminardirektor Engelbert Siebler (heute Weihbischof em.) nahm den Fisch aus und servierte ihn dem Klassenkameraden höchstpersönlich zubereitet zu Mittag.
Lebhaft in der Erinnerung sind mir auch die Filmabende geblieben. Klar durften wir Dienstagabends (?) zu „Tom und Jerry“, „Schweinchen Dick” und anderen Comic-Strips eher vom Abendessen aufstehen, freitags (?) zu „Dick und Doof“ und „Väter der Klamotte“ (mit dem unvergessenen Hanns Dieter Hüsch als Sprecher). Aber da war noch mehr. Alle ein oder zwei Monate kam ein Filmvorführer vorbei. Wir Seminaristen sammelten uns im Musikzimmer und bekamen auf Leinwand Kunstwerke deutsches Filmschaffens vorgeführt.
Neben den unverwüstlichen Lausbubengeschichten, den Lümmeln von der letzten Bank, den Filmen mit Heintje und anderen Klassikern zählte dazu auch Don Camillo. Leider war die Internatszeit für mich nach zwei Jahren vorbei.

15 Meter Bus, damals mein Arbeitsplatz
15 Meter Bus, damals mein Arbeitsplatz
Blende
Jahre später war ich Busfahrer im Reiseverkehr. Aus tiefstem Herzen, das gebe ich an der Stelle gerne zu, habe ich die Schifahrten gehasst. Sei es Tagesfahrten nach Österreich oder auch Fahrten, die mich bis zum Kronplatz führten. Daneben gab es aber auch Fahrten, die mich kulturell „befriedigten“. Eine Woche Polen mit einer Pilgergruppe, Tagesfahrten, wie zum Beispiel nach Waldsassen, Mehrtagesfahrten in den Bayerischen Wald, nach Kulmbach, Bayreuth oder Amsterdam. Und diese Fahrt nach Südfrankreich.
Eine Woche in Allauch, einem Ort vor den Toren Marseilles, Ausflüge in die Altstadt von Marseille, nach Aix-en-Provence, in Weinbaugebiete, zu einem alten Kloster (davon wird noch zu berichten sein) und an die Côte Bleue.
Ferienhaus von FernandelMit meiner Reisegruppe aus einem Vorort Münchens durfte ich mit aufs Schifferl. Und das fast Schönste an dieser Fahrt war, dass der Touristen-Unterhalter eben erzählte, dass das gelbliche Haus auf nebenstehendem Bild das Ferienhaus des Schauspielers Fernandel war.

Und ja: Ich würde jederzeit wieder an die Côte Bleue fahren, bei meinigen damaligen Herbergseltern (Privatquartier!) übernachten. Und Marseille, die Gegend, die Kultur abseits von Reisestress erkunden.
Keine große Geschichte. Aber so schließen sich Kreise.

G’red’t g’hört. Vom Spiel der Kommunikation.

Screenshot Online-Petition, Sonntag, 15.02.2020, 5:07 Uhr
Screenshot Online-Petition, Sonntag, 15.02.2020, 5:07 Uhr
„Jeder gemütskranke König in der 3. Generation wäre hier gerade hilfreicher als das armselige politische Personal des Freistaats Bayern, kann das sein?“ – Dieser Satz steht so auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung vom 14./15.02.2020 und soll von Professor Bazon Brock stammen. Getätigt hat er ihn, so die SZ, auf der Geburtstagsfeier von Hubert Burda. Auf der soll der Konzertsaal München wohl auch ein Thema gewesen sein.
Die Bayern und das Gemüt. Dass in der Konzertsaaldebatte durchaus auf hohem Niveau diskutiert wird, Argumente statt Maßkrügen fliegen, ist ein augenfälliger Aspekt. Nicht, dass man dem Bayern attestieren müsse, er sei der Bierdimpfeligkeit entwachsen, das kann er zur rechten Zeit immer noch gut, nein: es ist auch nicht der vermeintlichen „Hochkultur“ geschuldet, dass hier emotional, aber ohne Dreck zu werfen diskutiert wird. Der Konzertsaal ist Gegnern wie Befürwortern ein Herzensanliegen. Wenn man, so wie ich, Twitter durchfiltert nach „#Konzertsaal” oder „Konzertsaal“. Vielleicht fallen die kritischen Stimmen auch nur deswegen nicht so auf, weil sie den Hashtag meiden - oder meine Filterbubble zuschlägt. Wobei ich meine Follower nicht nach Gegner- oder Befürworterschaft sortiere.
Sicher hat München größere und drängendere Probleme als einen Konzertsaal. Flüchtlinge, allgemeine Wohnungsnot, ein allgemeines Preisniveau, dass einen die Ohren anlegen lässt, die Liste ließe sich lang fortsetzen. Und in Abrede mag niemand stellen, dass der Konzertsaal eher ein Thema weniger Menschen denn der breiten Masse ist. Und doch: Vergessen wir nicht, dass das Drumherum um einen Konzertsaal nicht zu vernachlässigen ist. So ein Konzertsaal ist ja nicht nur ein seelenloser Betonklotz, der in der Gegend steht, er ist erfüllt mit Leben und erfüllt andere Zweige mit Leben, die Bauwirtschaft, den Tourismus allgemein und, ja, die „Konzerttouristikbranche“ im Speziellen. Apropos Konzerttouristikbranche: Eine schon (teils spöttisch) diskutierte Variante zu einem Konzertsaal in München wäre eine ausgeprägte Reisetätigkeit gerade des vornehmlich heimatlosen Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Die Busse des BRSO wären dicht gefolgt von den Bussen der Konzertbesucher, die durch Bayern und seine Gauen fahren würden. Die Busunternehmer würden sich die Hände reiben. Und wie ich diese Branche kenne, gäbe es schnell findige Unternehmer, die das Glas Prosecco und Fingerfood bei Hin- und Rücktransport einpreisten, mit entsprechendem Aufschlag versähen und gut verdienten. Abgesehen von den Bildern, die in meinem Kopf ablaufen, weil ich die Busbranche nach zehn Jahren als Fahrer doch recht gut kenne, ist da wenig dran, dem der „gemeine“ Konzertinteressent etwas Angenehmes abringen könnte.

Das schlechte Schweigen

Das Neue Odeon im Ensemble. (Entwurf: Markus Krempels)
Das Neue Odeon im Ensemble. (Entwurf: Markus Krempels)
Die Debatte ist also in vollem Gange. Und als sicher darf gelten, dass man in der Staatskanzlei sehr wohl wahrnimmt, welcher Protest sich regt. Vom Bariton Christian Gerhaher, der im Konzert um Protest bittet bis hin zu Dirigent Andrea Marcon, der den Text einer zuvor von ihm dirigierten Bach-Kantate rezitiert und auf München münzt.
Auffällig ruhig sind die Münchner Philharmoniker. Das mag das wenig verwundern. Sie sind in Lohn und Brot der Stadt. Und wes‘ Brot ich ess‘, des Gasteig-Umbau begrüße ich. Nur: Hilft Schweigen der Sache?
Es mutet an, als ob das Schweigen für einen verbesserten Konzertsaal im Gasteig in Kauf genommen würde um einer Stagnation des Musiklebens in München. Denn: auch nach einem Umbau gibt es keinen Platz mehr für die wachsende Zahl der Klassikfreunde.
Zumal das Schweigen auch noch eine unheilige Folge hat: Es ist ja nicht nur der Wettbewerb der Münchener Orchester und die Stagnation in der Entwicklung, sondern: Es wird weiterhin keine Planungssicherheit geben. Weder für Philharmoniker, Symphonieorchester, private Konzertveranstalter noch - international. Viele „Stars“ meiden den Gasteig wegen der Akustik, meiden also München mit seinem lebendigen Klassikleben. Schon jetzt. Und das soll sich bessern mit einem Wanderzirkus zwischen Herkulessaal und Gasteig?
Aus diesem Traum sollten die Philharmoniker aufwachen.

Und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks?

Die Musiker, die Dirigenten, der Manager - sie äußern sich treffend, wie schon oben am Beispiel von Andrea Marcon gezeigt.
Also alles gut?
Was mir fehlt: Nicht alle zur Verfügung stehenden Kanäle werden bespielt und ausgezunutzt. Das punktuelle Schweigen und Nicht-Gebrauchen eines eigenen Kommunikationsweges ist aber eher unklug, wenn man das gute Ziel einer „eigenen“ Heimstatt verfolgt. Alleine, um den derzeit zwischen ziemlich vielen Fronten stehenden Intendanten Ulrich Wilhelm zu entlasten und gewissermaßen aus der Schusslinie zu kriegen, wären einfache Informationen hilfreich. Mit Bordmitteln, wie ich als Linuxer sagen würde. Die Kolleginnen und Kollegen Journalisten im Funk mühen sich. Der Konzertsaalverein müht sich, über 10.000 Münchner, die die Petition bislang unterzeichneten, sind kein Pappenstil. Die Freunde des Symphonieorchesters sind rührig.

Was kostet eigentlich so ein Konzert im Hintergrund? Logistisch: Was kostet ein Transport von Instrumenten, Noten, Notenständern, Kleiderkoffern, Zubehör? Was kosten die Männer/Frauen, die den Transport, den Aufbau und Abbau bewerkstelligen? Was kostet die Saalmiete? Und daraus resultierend: Wie setzt sich ein Defizit zusammen, vielleicht auch im Hinblick auf den Herkulessaal? Das und andere Posten sind Argumente, um Verständnis dafür einzuwerben, dass der BR den Konzertsaal nicht mitfinanzieren darf, gleichwohl aber Kosten auf sich nimmt, um Musik zu Gehör zu bringen. Dürre Zahlen.
Dürre Zahlen, die dem einen oder anderen Bayern das Gemüt beruhigen würden und ihn vielleicht auch zu einer anderen Entscheidung bewegten.
Einen zusätzlichen Konzertsaal für München zu bekommen, ist nämlich gar nicht so abwegig, auch wenn der Beschluss von Staatsregierung und Mehrheit des Landtages derzeit entgegensteht.

Konzertsaaldebatte im Landtag: Bankrotterklärung oder Neubeginn?

Blick ins Plenum des Bayerischen Landtags
Blick ins Plenum des Bayerischen Landtags
Hitzige Debatte im Landtag um den Konzertsaal. Vier Anträge von vier Fraktionen und erwartungsgemäß kam der von der CSU durch. Nichtsdestotrotz zeigte die Debatte sehr deutlich, wer auf welcher Seite steht. Am überraschendsten dabei vielleicht, was sich bei der gestrigen Diskussion im Bayerischen Fernsehen abzeichnete: Isabell Zacharias von der SPD ging auf Kuschelkurs zu Staatsminister Spaenle, sprach sogar von Horst Seehofer pathetisch als „ihrem Ministerpräsidenten”. Ein Zeichen dafür, dass die Pro-Konzertsaal-Fraktion um Markus Rinderspacher in der SPD zu bröckeln scheint. Den Anfang in der Debatte machte Michael Piazolo, Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses, Freier Wähler und durchaus als kunstsinniger Mensch bekannt. Auszüge aus seinem Redebeitrag:

Und nach dieser Schelte schwang sich Piazolo auf zu fast unbekannten Höhen. Das „Stagione-Prinzip” verdammte er in Grund und Boden. Das bedeutet, dass Philharmoniker und Symphonieorchester sich alle 14 Tage in den Spielstätten Gasteig und Herkulessaal abwechseln sollen:

…um dann die Enttäuschung des Volkes in den Landtag zu tragen:

Gleichwohl ist sich Michael Piazolo sicher, dass die „Basta-Lösung“ nicht kommen wird.
Gudrun Fischer-Brendel ergriff für die CSU das Wort, sprach davon, dass sie kein Verständnis für die Aufregung habe und forderte Geschlossenheit im Sinne der Orchester. Und brachte ins Spiel, dass das BR Symphonieorchester ja durch Bayern auf Reisen gehen könne.

Isabell Zacharias von der SPD, bekannt für ihre friesisch-herbe Art, versuchte das Plenum zu vereinnahmen und beschwor die Große Koalition zwischen Landes- und Stadtregierung:

Auftritt Sepp Dürr, Grüne.

Staatsminister Ludwig Spaenle, in dessen Ressort die Konzertsäle fallen, sprach davon, dass er mit der Übernahme des Ressorts eine verfahrene Situation vorgefunden habe. „Quasi nur ein Zettel, auf dem Finanzgarten stand“:

Und auch Spaenle brachte den Gedanken ins Spiel, dass gerade das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks vermehrt durch Bayern touren solle, um einen Ausgleich der Kultur in die Fläche zu ermöglichen. Dazu soll nochmals geprüft werden, ob man nicht doch auf der Museumsinsel eine Ersatzspielstätte habe:

Spaenle erinnerte eindringlich daran, dass auch der Bayerische Rundfunk eine Verpflichtung habe, sich einzubringen. Er schloss mit einem Appell an alle Enttäuschten über die Entscheidung:

Die Debatte wird sicher noch weiter geführt werden (müssen).

Kulturkoryphäenversagen

Kommentar

(Audio, 4:04 / 4 MB)

Man mag der klassischen Musik und ihrem Konzertbetrieb zugetan sein, wie man will.
Man mag auch bejammern, dass zuallererst immer die Klassische und dann die Popular-Musik Beachtung und Förderung erfahre.

Man mag sich aber auch vergegenwärtigen, dass in der Popular-Musik kein ständig präsent - und damit vor Ort - gehaltenes Orchester eine Spielstätte braucht.

Sind derer dann noch zwei vor Ort und rechnet man die freien Veranstalter nebst Gastkonzerten von Orchestern anderer Städte hinzu, dann haben wir Münchner Verhältnisse.

Der Herkulessaal ist zu klein und sanierungsbedürftig, das Prinzregententheater noch beengter. Das Symphonieorchester des BR samt Chor hätte quasi keinen Platz. Und die Sitzplätze sind im Prinze noch weniger als im Herkulessaal.

Somit hat München zwei Spitzenorchester, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und die Münchner Philharmoniker und eine Spielstätte, die alle Nachfragen befriedigen muss. Denn, auch das darf den Pop-Junkies getrost gesagt werden: Der Gasteig ist meistens ausverkauft und draußen stehen Menschen, die noch auf eine Karte hoffen. Und das bei einer Größenordnung über 2000 Sitzplätze. Ein stationär vor Ort lebender Pop-künstler würde das nicht mehrfach im Jahr bzw. Monat schaffen.

Das einmal als Erklärung für die, die ständig jammern, dass München doch den Gasteig und den Herkulessaal habe und deswegen kein weiterer Konzertsaal nötig sei.

Das aber auch als Watschn für die Kulturkoryphäen der Landes- und Stadtpolitik in München, die leichtfertig ein deutliche Aufwertung in der Weltklasse der Orchester und Spielorte vergeigt haben.

Wer sich die Spielpläne von Philharmonikern und Symphonieorchester ansieht, merkt, dass diese anspruchsvoll gefüllt sind. Dazu kommen dann im Gasteig noch die Konzerte, die private Veranstalter durchführen wollen. Auch hier gilt: Bei über 2000 Sitzplätzen ist meistens ausverkauft.
Da wird ein Konzertbetrieb schnell zum Anzug, der aus den Nähten platzt. Schlimmer noch: Konzerte und Veranstaltungen müssen abgesagt werden, weil die Spielstätte Philharmonie im Gasteig durch die zwei Münchner Orchester belegt ist. Hinzu kommen die Auf- und Abbauzeiten.

Und in diese angespannte Situation fahren Horst Seehofer und Dieter Reiter wie zwei Dampfwalzen und machen die Pläne zum Bau eines neuen Konzertsaales platt.

Dass wir uns richtig verstehen: Erklärtes Ziel des Bayerischen Ministerpräsidenten war: Ein neuer Konzertsaal. Nach seiner Auffassung hält er diese Zusage: Die heute wohl fix gemachte „Entkernung“ des Gebäudes und den darauf folgenden Neubau innen hält der Ingolstädter Hütchenspieler für das Ei des Kolumbus bzw. für so weit tragfähig, dass man ihm keinen Wortbruch vorwerfen könne.

Schlimmer: Er mag vielleicht am Wortbruch noch grade vorbeischrammen. Es ist Seehofersche Volksverdummung wie bei der parallel zu beerdigenden Energiewende, es ist Populismus in Reinkultur, das Abwatschen eines Expertengremiums und seines Staatsministers Spaenle, der sich einem Mäusle gleich nicht mehr raustraut.

Dabei fällt eine weitere Parallele zur Energiewende auf: Hier hat Seehofer das Ergebnis des heute erst stattfindenden Abschluss des Energiedialogs vorausgenommen. Und am Mittwoch sollte der zuständige Minister Spaenle im Landtagsausschuss zum Stand des Konzertsaals sprechen.
Hinfällig, Seehofer hat’s wieder mal in letzter Minute torpediert.

Und wo während der Umbauzeit des Gasteigs konzertiert wird, ist auch nicht zu benennen. Es gibt keine adäquat großen Spielstätten, die die Kosten einigermaßen hereinspielen könnten.

Alles in allem ist es eine der großen, unverständlichen Entscheidungen des Ministerpräsidenten und des Oberbürgermeisters Reiter, den Kulturstandort München so derart an die Wand zu fahren.

Zum Trost: Als Gustav Adolf von Schweden im Jahre 1632 über den Gasteig nach München kam und die Stadt besetzte, waren die Spuren auch ein paar Jahre später nicht mehr zu sehen.

Hinweis:
Sie können sich für einen Konzertsaal einsetzen, die Petition zeichnen Sie hier.