Wie ist es um die Glaubwürdigkeit der Medien bestellt? Der Bayerische Rundfunk hat dazu eine bundesweite Studie in Auftrag gegeben. Drei Viertel der Befragten halten demnach das öffentlich-rechtliche Fernsehen und die Tageszeitungen nach wie vor für glaubwürdig, zwei Drittel vertrauen dem öffentlich-rechtlichen Radio. Die etablierten Medien sind nach wie vor Hauptanlaufstelle der Deutschen für die täglichen Informationen zum aktuellen Geschehen. Glaubwürdigkeit und Verständlichkeit sind ihre wichtigsten Qualitätsmerkmale. Und: Journalisten und ihre Arbeit werden hoch geschätzt.
Mit dem Verhältnis von Medien und Publikum befasste sich eine Tagung des Katholischen Frauenbundes im BR.Weiterlesen »
Schlagwort: Soziale Medien
Medienkommunikation und Soziale Welten im Wandel
Für viele ist es selbstverständlich, dass sie ihr Leben und ihre Erlebnisse in Sozialen Netzwerken teilen und kommentieren. Twitter, Facebook, Instagram oder klassische Chatformate sind ein gutes Beispiel dafür. Mit dem Einsatz dieser Kommunikationsmittel ändern sich auch unsere sozialen Beziehungen bis hin in die Politik.
Eine Tagung an der politischen Akademie in Tutzing ging den Erscheinungsformen und Auswirkungen nach.
Dr. Friedrich Krotz ist Professor am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen.
Seiner Meinung nach sagt der Begriff der Mediatisierung etwas über den Wandel der Gesellschaft im Kontext des Wandels der Medien aus. Das alltägliche soziale Handeln ändert sich, denken wir nur mal an Facebook, Twitter oder andere Soziale Welten. Interessant dabei ist, dass Geräte und neue Anwendungen immer mehr von allen ausprobiert werden (können). Aber auch die Soziale Welt eines Fußballclubs mit Fankultur, Berichterstattung, Bindung ist mediatisiert, so Krotz:
Von der Universität Wien kam Professor Michaela Pfadenhauer. Ihre These: Soziale Beziehungen sind heutzutage eher Teilzeitbegleitend. Eine lebenslange Begleitung erscheint einigen Menschen schon als Drohung. Dabei erleichtert die Beziehungsmüdigkeit das Ausflüchten in Beziehungen zu technischen Geräten. Diese sind pflegeleichter und können aus- und eingeschaltet werden. Früher hieß es: Ich habe eine Emotion, ich mache einen Anruf. Heute: Ich will eine Emotion haben, also schreibe ich eine SMS oder einen Tweet.
Die Sorge, dass das Mobile ausgehen könnte, lässt uns sogar nach Hause umkehren und das Ladegerät fürs Mobiltelefon holen. Das steht, so Pfadenhauer, dem Tamagotchi aus den 90er Jahren in nichts nach.
Udo Göttlich, Martin Herbers und Luise Heinz haben in einer Studie herausgefunden, dass Medien typischerweise auch heute noch parallel genutzt werden. Bestes Beispiel: Zeitung und Radio dominieren immer noch am Frühstückstisch. Die wichtigere Erkenntnis ist aber, dass verschiedene Altersgruppen Medien verschieden nutzen.
Eines gemein scheint aber allen zu sein: Die Praktiken der Medienrezeption mit der Kommentierung / Ko-Orientierung. Ob Tatort oder Böhmermann. Udo Göttlich:
Fernsehen ist dabei aber für einige auch ein Rückzugsraum ins Private, wie Martin Herbers konstatiert:
Jüngere Menschen sind kreativer in der Mediennutzung. Da kann es passieren, dass statt eines Texttweets eher ein Selfie mit den Füßen vor dem Fernsehbild der neuesten Folge von Game Of Thrones verschickt wird. Luise Heinz:
Auch Ulrike Wagner vom JFF sieht, dass sich die Mediennutzung Jugendlicher ändert. Sie wollen authentische Protagonisten. Der Journalist ist nicht die erste Quelle, auf die diese Zielgruppe zugreift. Aber: Auch Wagner sagt, dass Print nicht ausgestorben ist und weiterleben wird. Verändert:
Das sah auch Dr. Kathrin Müller von der Universität Münster so: Klassische Medien behalten ihren Stellenwert. Der Halbkreis vor dem Lagerfeuer hat nicht ausgedient:
Erschreckendes dann am dritten Tag in Tutzing: Professorin Caja Thimm aus Bonn untersucht seit 2009 die politischen Arenen in Sozialen Medien. Mit einigen Screenshots machte sie deutlich, dass sie nicht gewillt ist, in Vorträgen die Identität von Hetzern unkenntlich zu machen. Sie ist der Meinung, dass das öffentlich geäußert wurde, also auch öffentlich wiedergegeben werden darf. Weil es von den handelnden Personen bewusst so kalkuliert ist:
Am Rande ihres Vortrages übte Thimm auch Kritik an der Löschpolitik von Google. Sie sagte, dass die Politik - und damit die Öffentlichkeit - die Entscheidung über Inhalte aus der Hand gegeben habe:
Den Abschluss der Tagung gestaltete Professor Ulrich Sarcinelli. Trocken und ein wenig über den Vorgängen im Netz thronend, aber keineswegs aus dieser Zeit. Auch wenn er selbst Soziale Medien nur rezipierend wahrnimmt, hatte er doch wichtige Punkte auch im Blick auf die Medialität von Politikern zu bieten.
Politisches Scheitern ist manchmal vorprogrammiert, sagte Ulrich Sarcinelli. Das macht er am Beispiel der Piraten fest.
Die Konjunktion zwischen alter und neuer Mediennutzung ist der Akademie und den Veranstaltern gelungen. Lösungen darf man von solch einer Tagung nicht erwarten. Es sind Denkanstöße in Richtung eigenes Medienverhalten, aber auch Anregungen für die Multiplikatoren, aus denen das Publikum überwiegend bestand. Die können und sollen weitergegeben werden.
Und so nimmt es auch nicht Wunder, wenn Professor Sarcinelli einen eher den alten Medien verhafteten Politiker als Musterbeispiel herausstellt, was den Umgang mit Medien, ihren Produzenten und Nutzern angeht: Winfried Kretschmann.
Tweets zur Veranstaltung können unter #apb_media nachgelesen werden.
Der Bericht der Akademie für politische Bildung ist hier zu finden.
Ein Wort in eigener Sache:
Es ist fast unmöglich, eine komplette Tagung von Freitagnachmittag bis Sonntagmittag abzubilden. Unglaublich viel Input, tolle Referate, fundiert, gut aufbereitet. Nicht nur als Journalist ist man fast erschlagen von der Fülle, die die Veranstalter aufgeboten haben. Einerseits fühlt sich der Berichterstatter der möglichst genauen Wiedergabe der Inhalte verpflichtet, andererseits hat er Angst, damit das Internet endgültig vollzuschreiben. Oder ernsthafter: Man wägt ab, was man bringt. Einerseits, um nicht zu langweilen, anderseits, um die Veranstaltung umfassend abzubilden. Wenn der eine oder die andere Referentin sich nicht abgebildet sah: Der viele und gute Input erfordert eine redaktionelle Handhabe. Vielleicht auch, damit der geneigte Konsument bis zum Ende dran bleibt. Auch das ist Mediennutzung, vielleicht von der anderen Seite: Nicht zu sehr überfordern. Wer in der Veranstaltung war, hat viel mitnehmen können. All die kleinen und auch größeren Stimmungen kann man auch in einem Artikel nicht wiedergeben. Auch nicht auf geschätzt 16 Print-Seiten, die eine Zusammenfassung erforderte. Vielleicht wäre es doch eine gute Idee, die Beiträge in Form einer Schrift oder eines eBooks zu publizieren. Sie sind es alle Wert.