Eine Auseinandersetzung um eine Papstäußerung
In der katholischen Kirche gibt es verschiedene Strömungen. Von traditionell und bewahrend bis hin zu modernen Tendenzen. Im Pontifikat von Papst Franziskus kommt in der Auseinandersetzung um die „wahre Lehre“ eine neue Qualität hinein. Die Gräben scheinen unüberwindlicher denn je. Neben den Auseinandersetzungen um die Piusbrüder oder das Nachtreten in der Causa Limburg gerät immer stärker das Wort des Papstes ins Visier.
Traditionell ausgerichtete Katholiken kritisieren, dass Papst Franziskus annimmt (!), dass Jesus seine Eltern um Verzeihung gebeten haben könnte, als er als Zwölfjähriger im Tempel blieb.
Ich bin kein Theologe und genauso wenig Zeitzeuge wie einer der Theologen, Blogger oder gar Evangelisten dabei gewesen, als sich diese Szene abspielte. Diese aber ist wiederum symptomatisch für einen Diskurs seit Anbeginn der Kirche.
Ich hole ein wenig aus:
Es hat nichts mit Verfälschung oder Umdeutung der Lehre zu tun, wenn Franziskus davon spricht, dass Jesus sich bei seinen Eltern entschuldigt haben könnte. Es wäre schlicht das normale Verhalten eines Kindes. Andererseits schreibt auch das Evangelium von nichts anderem, hier in der Exegese durch Benedikt XVI.:
„Dann kehrte er mit ihnen nach Nazareth zurück und war ihnen untertan … Jesus aber wuchs heran und nahm zu an Weisheit und Alter und Wohlgefallen bei Gott und den Menschen“ Nach dem Augenblick, in dem der größere Gehorsam aufleuchtete, in dem er stand, kehrt Jesus in die normale Situation seiner Familie zurück - in die Demut des einfachen Lebens und in den Gehorsam gegen seine irdischen Eltern.
(zitiert nach „Beiboot Petri“).
Das Evangelium berichtet, Jesus habe seine Eltern gefragt, ob sie denn nicht wüssten, dass er im Haus des Vaters sei. Hier wird für den Gläubigen das Einmalige Jesu sichtbar: Er ist ganz Gott und ganz Mensch.
Gleichzeitig ist es eine wunderbar tiefe theologische Antwort. Jesus ist Gottes Sohn. Und dennoch achtet und ehrt er Maria und Josef als seine irdischen Eltern. Er, der durch die Geburt aus Maria Mensch wurde.
So hat es uns schon in der Grundschule unser Pfarrer im Religionsunterricht nahe gebracht. Ein Studienkollege von Benedikt, nebenbei.
Diese zwei Wesen der Person Jesu zu begreifen, also den Menschen Jesus, der zeitgleich und unverändert Gott ist, übersteigt das Vorstellungsvermögen eines Kindes, das ist klar. Es ist und bleibt Glaubenssache. So schwer, so leicht. Was auch klar ist: Jesus weiß wohl als Zwölfjähriger um seine Herkunft. Was hat er ab diesem Zeitpunkt bis zu seinem ersten öffentlichen Auftritt gemacht? Die Evangelien lassen uns im Unklaren darüber.
Es fällt schwer anzunehmen, dass er nur auf der elterlichen Couch lag und die Schriften studierte, um sich auf seinen Job als Messias vorzubereiten. Entschuldigung für die Flapsigkeit. Ernster gesagt: Ich glaube, es darf getrost davon ausgegangen werden, dass er seinem irdischen Vater Josef bei der Ausübung seines Berufes als Zimmermann half. Alles andere würde dem traditionellen Familienbild dieser Zeit widersprechen.
Aber ist das so wichtig?
Ja. Denn die Debatte um die Äußerung von Papst Franziskus ist eine Scheindebatte, die ganz andere Ursachen hat. Es geht in dieser Auseinandersetzung nur ganz am Rande um die Frage, ob sich Jesus als Kind wie ein Kind verhalten hat oder nicht.
Es geht um die Frage, welche Strömung Oberhand erhält. Die Traditionalisten, die an der Kirche festhalten wollen, so wie sie die Piusbrüder haben wollen? Die Modernisten, die im Gottesdienst alle möglichen Verkündigungsformen ausprobieren?
Die Auseinandersetzung um die Äußerung von Franziskus macht deutlich, dass es um die Position der Kirche in der heutigen Zeit geht. An der Lehre wird Franziskus alleine nichts ändern. Aber in der Auslegung zeigt Franziskus, dass er am anderen Ende der Welt gelernt hat, dass es andere Wege braucht, Glauben und Religion wieder schmackhaft zu machen. Durch die Jahrhunderte haben sich Gottesbilder, Gotteserfahrungen und Gottesverkündigungen verändert. Sie sind in der Form verändert, aber nicht im Wesen.
Letztlich entscheidet sich an der Frage, ob Jesus als Kind wie ein Kind gehandelt hat, die Frage nach der Zukunft der (katholischen) Kirche: Brüderlich und synodal oder zentralistisch, realitätsfern und intrigant.
Insofern ist der Versuch, Franziskus mit Benedikt zu entgegnen, nichts anderes als der Versuch, die alte Kirche mit ihrem kurialen Gepränge gegen eine brüderliche Kirche in Stellung zu bringen.* Die Theologie von Papst Franziskus ist keine andere als die seiner Vorgänger, sie ist katholisch wie bei jedem seiner Vorgänger. Aber die Ausdrucksform und das Amtsverständnis von Franziskus sind ein anderes. Radikaler in der Nachfolge (unseres Bruders)** Jesu als die Kurie.
Die Auseinandersetzung darum ist die Fortführung der Weltbischofssynode mit anderen Mitteln. Manchmal kommen dabei auch Nebelkerzen zum Einsatz.
*Ich unterstelle Papst em. Benedikt nicht, für die „alte Kurie“ zu stehen. Er findet hier Erwähnung, weil seine Exegese gegen die von Papst Franziskus in Stellung gebracht wird.
** Den Ausdruck habe ich nachträglich ergänzt, um deutlich zu machen, was Franziskus m.E. mit seiner Exegese erreichen könnte: Eltern holen Jesus freudig in ihre Mitte. Wie ihr Kind.