Konzertsaal München: Eine Burleske

Der Konzertsaal in und für München, nein, ganz Bayern, bewegt die Menschen in München, nein, in ganz Bayern, nein, in ganz Deutschland. Die Diskussionen der letzten Monate erschließen sich jedoch als Gesamtkunstwerk. Nicht der Konzertsaal, sondern die Diskussion darob ist Gegenstand.

Offenlegung:
Ich bin Konzertsaalbefürworter, aber mit Humor. Ich erhoffe mir diesen auch von den Akteuren der Burleske.

Konzertsaal München: Fast wissen wir, dass, …aber wo?

Das Podium im Lenbachhaus diskutiert über den Konzertsaal
Neuerliche Diskussion um den Konzertsaal München. Diesmal ausgerichtet von der Süddeutschen Zeitung im Künstlerhaus am Lenbachplatz. Seit Gustl Mollath hat kein Thema die Leser der SZ mehr bewegt als die Frage, ob es einen zusätzlichen Konzertsaal für München braucht, und wenn ja: wo. Wolfgang Krach und Sonja Zekri moderierten den Abend. Hier dokumentiere ich die Eingangsstatements der Teilnehmer auf dem Podium. Den Schluss überlasse ich dem Gebeutelten des Abends, dem Kunstminister.

Waltraud Meier sagt, dass ein Konzertsaal vor allem die Musik so ertönen lassen soll, wie sie vom Komponisten gedacht ist. Von der kleinsten Stille bis zum Fortissimo. Neben dieser Frage wirft Meier die Problematik auf, dass niemand derzeit wisse, wo man in der Umbauphase des Gasteigs hin solle. Ein neuer Konzertsaal müsse sich auch im Probenbetrieb öffnen:

Direkte Frage von Wolfgang Krach an den Kunstminister: „Herr Spaenle, für die Katastrophe sind Sie der verantwortliche Minister, wie Frau Meier sagt. (…)“ Und fragt nach, was denn die Meinung von Spaenle sei. Spaenle sieht sich (wie den ganzen Abend) in der Defensive und verteidigt zuerst seinen Chef, den Ministerpräsidenten:

Der Kunstminister verdeutlicht, dass die Staatregierung im Falle eines Konzertsaalbaus wohl eher dem Standort Deutsches Museum (Museumssaal) zugetan sei. Bleibt abzuwarten, wie viel Druck Seehofer und vor allem Spaenle auf das Museum ausüben können.
BR-Intendant Ulrich Wilhelm muss sich für seine Aussage rechtfertigen, dass der BR keinen Saal bauen dürfe, macht aber auch deutlich, dass sich der Sender an der notwendigen technischen Ausstattung messen lassen wolle:

Der Dirigent Steven Sloane erzählt, wie der Hergang in Bochum war. Dort soll nächstes Jahr ein Konzertsaal eröffnet werden. Und Bochum hat im Gegensatz zu München weniger gute Voraussetzungen. Es fehlt das Geld. Sloane verdeutlicht in seinem Eingangsstatement, dass Bürgerbewegung sein müsse, dann würde sich auch die Politik bewegen:

Provokant ist die Einstiegsfrage an Hans-Georg Küppers, den Kulturreferenten Münchens. Was er denn gegen einen Konzertsaal habe. Nichts, antwortet der. „Aber“, so Krach, „Sie tun auch nichts dafür?“

Die Debatte, die folgt, ist aufschlussreich. Teile können Sie auf Twitter nachlesen, der Hashtag #Konzertsaal hilft weiter. Die Süddeutsche fasst ihre Veranstaltung auch zusammen. Der BR berichtet in Text und Audio.

Kurzfassung des Debattenschlusses: Alle sehen sich in 10 Jahren in einem neuen Konzertsaal. Wo der allerdings steht, darauf will (und kann) sich keiner festlegen. Die härteste Kritik des immer wieder murrenden, applaudierenden, buhenden Publikums muss Kunstminister Spaenle als politisch Haupt-Verantwortlicher einstecken. Deswegen soll er hier nochmal zu Gehör kommen und den Stand der Dinge darstellen:

Nach zwei Stunden mehr oder minder Rumgegurke auf der Bühne bleibt als Erkenntnis: Der Vorhang auf und alle Fragen offen.

Konzertsaal: Michael Piazolo kritisiert Seehofers Pläne

So könnte ein neuer Konzertsaal am Finanzgarten aussehen: Der Innenraum des Neuen Odeons, die Symbiose von Natur, Bau und Kunst. (Entwurf M. Krempels)
So könnte ein neuer Konzertsaal am Finanzgarten aussehen: Der Innenraum des Neuen Odeons, die Symbiose von Natur, Bau und Kunst. (Entwurf M. Krempels)

Am Freitag waren Pläne bekannt geworden, dass Ministerpräsident Seehofer gegen einen Konzertsaal-Neubau ist und stattdessen der Stadt München bei einem Neubau des Gasteigs mit zwei Sälen entgegenkommen will. In der Szene rumort es. Nun hat auch Professor Michael Piazolo, Freie Wähler und Vorsitzender des Kunst- und Wissenschaftsausschuss im Landtag, Seehofers Pläne kristisiert. In einer Pressemitteilung heißt es:

„Abgesehen davon, dass es einer planerischen Bankrotterklärung gleichkommt, ein mit Steuergeldern erbautes Gebäude nach gerade einmal 30 Jahren wieder abzureißen, wird durch einen Neubau an gleicher Stelle keine wesentliche Verbesserung erzielt. Im Gegenteil: gerade die während der Bauzeit entstehende mehrjährige Lücke im Münchner Konzertleben ist kaum verdaulich und birgt die Gefahr, dass München nachhaltig den Anschluss an die Weltspitze in diesem Feld verliert.“ Auch nach der Fertigstellung eines „Gasteig-Reloaded“ sei nicht ersichtlich, wo die vielen privat finanzierten und organisierten Konzertveranstaltungen unterkommen sollten, so Piazolo weiter. Es könne nicht sein, dass der Freistaat bei seinen Planungen diese künstlerisch höchst engagierte und ambitionierte Szene völlig missachte.

„Bei einem solchen Scheinkompromiss verlieren beinahe alle: Fans und Freunde der klassischen Musik in München sowie darüber hinaus private Konzertveranstalter, die Spitzenorchester und nicht zuletzt auch der Steuerzahler. Denn billiger wird eine solche Lösung sicher nicht: Abriss und Neubau bedeuten hingegen ein heute noch unabsehbares Kostenrisiko“, ist Piazolo sicher. Der Münchner Abgeordnete plädiert stattdessen dafür, sich ernsthaft um einen geeigneten Standort für einen eigenständigen Konzertsaal umzuschauen und macht deutlich: „Für mich ist die Lösung im Finanzgarten noch nicht vom Tisch. Sie birgt viele reizvolle Chancen – auch städteplanerisch. Ich würdige insbesondere die bisherigen Initiativen des Vereins ‚Konzertsaal München‘, der schon seit Jahren für eine sinnvolle Lösung an vorderster Front kämpft.“

Besonders verwundere es ihn, dass trotz der intensiv geführten Debatte die Stimme des zuständigen Kultusministers Ludwig Spaenle kaum vernehmbar sei. Piazolo: „Spaenles Wegducken – nur um im eigenen Stimmkreis nirgends anzuecken – bringt uns inhaltlich nicht weiter. Wo Mut gebraucht wird, zerstört kleinteilige Taktik die einmalige Chance, die sich der Kultur in München gerade bietet. Es wird Zeit, in unserer Stadt mit einem neuen Konzertsaal planerisch wieder einmal etwas zu riskieren!“

Reaktionen u.a. vom Pressesprecher des Sinfonieorchesters des Bayerischen Rundfunks und des Vorsitzenden des Konzertsaalvereins hat Antje Dörfner beim Bayerischen Rundfunk gesammelt.

Einen Kommentar von Heinrich graut’s lesen/hören sie hier.

Nächste Runde: Konzertsaal und Gasteig.

Eine Pressemitteilung von Piraten/Hut/FDP im Münchner Stadtrat

Kulturpolitische Bankrotterklärung
Antwort auf die Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen / Rosa Liste zu den zwei Konzertsälen im Gasteig

Dr. Wolfgang Heubisch (FDP, Mitglied im Kulturausschuss):
„Zwei Konzertsäle im Gasteig mögen zwar interessant klingen, sind aber völlig realitätsfern.
Es besteht die große Gefahr, dass trotz aller gegenseitiger Beteuerungen das hervorragende und anerkannte Kulturzentrum im Gasteig zerschlagen wird.

Man kann von einem Kulturreferenten erwarten, dass er sich für die Interessen der Landeshauptstadt München nachhaltig einsetzt und die Finanzierung durch den Freistaat, einen neuen Konzertsaal an einen neuen Standort zu bauen, unterstützt.
Das Desinteresse des Kulturreferenten ist als kulturpolitische Bankrotterklärung zu werten.
Selbst Kulturbürgermeister Josef Schmid, der sich noch vor Weihnachten für einen eigenständigen neuen Konzertsaal ausgesprochen hat, scheint den Plänen skeptisch gegenüber zu stehen, dass der Umbau des Gasteigs ohne kulturelle Substanzverluste durchgeführt werden kann.“

Diskussion um das „Neue Odeon“

Das Neue Odeon im Ensemble. (Entwurf: Markus Krempels)
Das Neue Odeon im Ensemble. (Entwurf: Markus Krempels)
Nachdem sich Stadtrat Richard Quaas (CSU) in der Abendzeitung gegen den Standort Finanzgarten aussprach und den Konzertsaal eher in Neubaugebieten oder in Freimann sähe, antwortet der Konzertsaalverein in einem Offenen Brief.
Unterdessen sprach sich SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher gegenüber dem Bayerischen Rundfunk ebenfalls für den Standort Finanzgarten aus. Ein Beitrag von Antje Dörfner.