Medienkommunikation und Soziale Welten im Wandel

Für viele ist es selbstverständlich, dass sie ihr Leben und ihre Erlebnisse in Sozialen Netzwerken teilen und kommentieren. Twitter, Facebook, Instagram oder klassische Chatformate sind ein gutes Beispiel dafür. Mit dem Einsatz dieser Kommunikationsmittel ändern sich auch unsere sozialen Beziehungen bis hin in die Politik.
Eine Tagung an der politischen Akademie in Tutzing ging den Erscheinungsformen und Auswirkungen nach.

Dr. Andreas Karina von der politischen Akademie Tutzing und Prof. Dr. Friedrich Krotz (Uni Bremen) veranstalteten die Tagung. (Bild: Miriam Zerbel, Akademie für politische Bildung, Tutzing)

Dr. Friedrich Krotz ist Professor am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Universität Bremen.


Seiner Meinung nach sagt der Begriff der Mediatisierung etwas über den Wandel der Gesellschaft im Kontext des Wandels der Medien aus. Das alltägliche soziale Handeln ändert sich, denken wir nur mal an Facebook, Twitter oder andere Soziale Welten. Interessant dabei ist, dass Geräte und neue Anwendungen immer mehr von allen ausprobiert werden (können). Aber auch die Soziale Welt eines Fußballclubs mit Fankultur, Berichterstattung, Bindung ist mediatisiert, so Krotz:

 

Professor Michaela Pfadenhauer übder den diagitalen Haberer, den Artificial Campanion (künstichen Begleiter, Freund).

Von der Universität Wien kam Professor Michaela Pfadenhauer. Ihre These: Soziale Beziehungen sind heutzutage eher Teilzeitbegleitend. Eine lebenslange Begleitung erscheint einigen Menschen schon als Drohung. Dabei erleichtert die Beziehungsmüdigkeit das Ausflüchten in Beziehungen zu technischen Geräten. Diese sind pflegeleichter und können aus- und eingeschaltet werden. Früher hieß es: Ich habe eine Emotion, ich mache einen Anruf. Heute: Ich will eine Emotion haben, also schreibe ich eine SMS oder einen Tweet.


Die Sorge, dass das Mobile ausgehen könnte, lässt uns sogar nach Hause umkehren und das Ladegerät fürs Mobiltelefon holen. Das steht, so Pfadenhauer, dem Tamagotchi aus den 90er Jahren in nichts nach.

Friedrich Krotz, Luise Heinz Udo Göttlich und Martin Herbers diskutieren über die Fernsehrezeption unter dem Eindruck der Second Screens.

Udo Göttlich, Martin Herbers und Luise Heinz haben in einer Studie herausgefunden, dass Medien typischerweise auch heute noch parallel genutzt werden. Bestes Beispiel: Zeitung und Radio dominieren immer noch am Frühstückstisch. Die wichtigere Erkenntnis ist aber, dass verschiedene Altersgruppen Medien verschieden nutzen.
Eines gemein scheint aber allen zu sein: Die Praktiken der Medienrezeption mit der Kommentierung / Ko-Orientierung. Ob Tatort oder Böhmermann. Udo Göttlich:


Fernsehen ist dabei aber für einige auch ein Rückzugsraum ins Private, wie Martin Herbers konstatiert:


Jüngere Menschen sind kreativer in der Mediennutzung. Da kann es passieren, dass statt eines Texttweets eher ein Selfie mit den Füßen vor dem Fernsehbild der neuesten Folge von Game Of Thrones verschickt wird. Luise Heinz:

Vollbesetztes Auditorium. Ulrike Wagner vom JFF stellt eine Studie zur mediennutzung Jugendlicher vor.

Auch Ulrike Wagner vom JFF sieht, dass sich die Mediennutzung Jugendlicher  ändert. Sie wollen authentische Protagonisten. Der Journalist ist nicht die erste Quelle, auf die diese Zielgruppe zugreift. Aber: Auch Wagner sagt, dass Print nicht ausgestorben ist und weiterleben wird. Verändert:

 

Das sah auch Dr. Kathrin Müller von der Universität Münster so: Klassische Medien behalten ihren Stellenwert. Der Halbkreis vor dem Lagerfeuer hat nicht ausgedient:

Professorin Caja Thimm mit erschreckenden Beispielen aus Sozialen Medien.
Professorin Caja Thimm mit erschreckenden Beispielen aus Sozialen Medien.

Erschreckendes dann am dritten Tag in Tutzing: Professorin Caja Thimm aus Bonn untersucht seit 2009 die politischen Arenen in Sozialen Medien. Mit einigen Screenshots machte sie deutlich, dass sie nicht gewillt ist, in Vorträgen die Identität von Hetzern unkenntlich zu machen. Sie ist der Meinung, dass das öffentlich geäußert wurde, also auch öffentlich wiedergegeben werden darf. Weil es von den handelnden Personen bewusst so kalkuliert ist:

Am Rande ihres Vortrages übte Thimm auch Kritik an der Löschpolitik von Google. Sie sagte, dass die Politik - und damit die Öffentlichkeit - die Entscheidung über Inhalte aus der Hand gegeben habe:

Ulrich Sarcinelli, Professor emeritus, als Wanderer zwischen den Welten.

Den Abschluss der Tagung gestaltete Professor Ulrich Sarcinelli. Trocken und ein wenig über den Vorgängen im Netz thronend, aber keineswegs aus dieser Zeit. Auch wenn er selbst Soziale Medien nur rezipierend wahrnimmt, hatte er doch wichtige Punkte auch im Blick auf die Medialität von Politikern zu bieten.
Politisches Scheitern ist manchmal vorprogrammiert, sagte Ulrich Sarcinelli. Das macht er am Beispiel der Piraten fest.

Die Konjunktion zwischen alter und neuer Mediennutzung ist der Akademie und den Veranstaltern gelungen. Lösungen darf man von solch einer Tagung nicht erwarten. Es sind Denkanstöße in Richtung eigenes Medienverhalten, aber auch Anregungen für die Multiplikatoren, aus denen das Publikum überwiegend bestand. Die können und sollen weitergegeben werden.
Und so nimmt es auch nicht Wunder, wenn Professor Sarcinelli  einen eher den alten Medien verhafteten Politiker als Musterbeispiel herausstellt, was den Umgang mit Medien, ihren Produzenten und Nutzern angeht: Winfried Kretschmann.

 

Tweets zur Veranstaltung können unter #apb_media nachgelesen werden.

Der Bericht der Akademie für politische Bildung ist hier zu finden.

Ein Wort in eigener Sache:
Es ist fast unmöglich, eine komplette Tagung von Freitagnachmittag bis Sonntagmittag abzubilden. Unglaublich viel Input, tolle Referate, fundiert, gut aufbereitet. Nicht nur als Journalist ist man fast erschlagen von der Fülle, die die Veranstalter aufgeboten haben. Einerseits fühlt sich der Berichterstatter der möglichst genauen Wiedergabe der Inhalte verpflichtet, andererseits hat er Angst, damit das Internet endgültig vollzuschreiben. Oder ernsthafter: Man wägt ab, was man bringt. Einerseits, um nicht zu langweilen, anderseits, um die Veranstaltung umfassend abzubilden. Wenn der eine oder die andere Referentin sich nicht abgebildet sah: Der viele und gute Input erfordert eine redaktionelle Handhabe. Vielleicht auch, damit der geneigte Konsument bis zum Ende dran bleibt. Auch das ist Mediennutzung, vielleicht von der anderen Seite: Nicht zu sehr überfordern. Wer in der Veranstaltung war, hat viel mitnehmen können. All die kleinen und auch größeren Stimmungen kann man auch in einem Artikel nicht wiedergeben. Auch nicht auf geschätzt 16 Print-Seiten, die eine Zusammenfassung erforderte. Vielleicht wäre es doch eine gute Idee, die Beiträge in Form einer Schrift oder eines eBooks zu publizieren. Sie sind es alle Wert.

 

Unter dem Rock der Marschallin - Der Rosenkavalier als #Twoper

Wieder einmal hat die Oper in Stuttgart Twitter-Nutzer eingeladen, die Aufführung und das Drumherum live aus dem Opernhaus zu kommentieren. Dieses Mal gab es den Rosenkavalier in der Inszenierung von Stefan Herheim, als Marschallin glänzte Simone Schneider, der Oktavian wurde gesungen und ebenso hinreißend gespielt von Paula Murrihy. Und so war es am Sonntagabend:

Nach der Aufführung: Der Abbau der Kulisse beginnt. Foto: Ralph Klein
Nach der Aufführung: Der Abbau der Kulisse beginnt. Foto: Ralph Klein

 

 

Wer auf Twitter nachlesen will, was alles gezwitschert wurde: Hier geht es zu den Tweets zur #twoper.
Die Aufführung ist auch ohne Twittergerät sehr sehenswert, da waren sich alle Beteiligten einig. Weitere Aufführungen im Spielplan der Oper Stuttgart.

Twittern aus der Oper - So war’s bei der #Twoper #Jenufa in Stuttgart

Menschen, die in Gruppen zusammenstehen und in ihre Smartphones starren – eine Stereotype für unsere ach so unkommunikativ-digitale Gesellschaft. In Wirklichkeit ist das ein hochkommunikativer Akt. Was einem Außenstehenden in der U-Bahn vielleicht nicht so einleuchten mag, erschließt sich dem Betrachter aber spätestens bei einem Kulturevent.
Die Oper in Stuttgart hat am Freitagabend zum zweiten Mal eingeladen, eine Oper per Tweets zu begleiten. Rundum gut geplant und gelungen:

Im Foyer der Oper Stuttgart wird fleißig getwittert. Bild @hoellenrose

 

 

Mit Dank an die Oper Stuttgart, Thomas Koch, Thomas Kroos, @da_hein, @hoellenrose und all die fleißigen Mit-Twitterer.

Und hier kann man unter dem Hashtag #Twoper nachlesen, was getwittert wurde.

Leserreise: Grober Unfug – Über Comics, Kiez und Fanzines

Herr Quitzi.
Zugegebenermaßen: Herr Quitzi heißt gar nicht Herr Quitzi. Aber er ist Herr Quitzi. Auf Twitter. Und auf adn. Da lernte ich ihn kennen und auch, wenn ich mittlerweile nicht mehr bei adn bin, dann ist mir Herr Quitzi auf Twitter treu geblieben. Herrn Quitzi finden Sie in einem Comicladen in der Torstraße 75 in Berlin. Ziemlich genau an der Grenze von Mitte zu Prenzlauerberg. „Da drüben“, deutet Herr Quitzi auf die andere Straßenseite, „da drüben is Mitte.“ Rund 120 Quadratmeter hat der Laden, mit Kellern, Kaffeeküche und Nebenräumen. Und wie viele Comics genau sich bei „Grober Unfug“, so heißt der Laden, finden? Herr Quitzi hat da auch nicht den genauen Überblick. Aber dafür erzählt er wunderbar. So wunderbar, dass ich gar nichts dazu erzählen muss. Ein Gespräch nicht nur über Comics. Auch über sein Fanzine. Und über Stadtteilgrenzen. Und Kiez. Und er rät Comic-Newbies wie mir, erst mal reinzugucken:

Das Fanzine, von dem Herr Quitzi spricht, gibt es wie auch die Comics in der Torstraße 75 in Berlin bei Grober Unfug. Nachschlag zu einem Fanzine, das im nächsten Jahr erscheinen wird. Über Tel Aviv:

Herzlichen Dank, dass ich zu Gast sein durfte!

Blick aufs Sortiment

„Guten Morgen, Ihr Dorfplatz*schönheitinnen und Dorfplatz*schönheiten“

(*München ohne Konzertsaal)

Dem einen oder der anderen mag es aufgefallen sein, dass ich seit ein paar Tagen den Tag auf Twitter mit dieser Begrüßung beginne und abends analog beende:

Die Erklärung:

Mir ist der Neubau eines Konzertsaals wichtig und es ist eine der wenigen Herzblutsachen, die ich mir erlaube.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der Bayerische Rundfunk sein berühmtes Signet „Solang der Alte Peter“ unvollständig gespielt, bis die Münchner Kirche, ein Wahrzeichen, wieder aufgebaut war. (Zur Geschichte des „Sigi“ ein Exkurs des Bayerischen Rundfunks)
Da ich immer noch Hoffnung habe, dass sich Landes- und Stadtregierung besinnen, werde ich bis zu einer entsprechenden Beschlussfassung mit diesem Gruß beginnen und enden.

Ich hoffe für Sie, meine Follower, dass das nicht allzulange dauert. ;)

Wer die Einsicht unserer Politiker befördern will, ist herzlich eingeladen, diese Petition mitzuzeichnen.

Ich danke für Ihr/Euer Mitzeichnen und Verständnis.