Das Audio ist hier abrufbar. Der verschriftete Beitrag:
München, Gärtnerplatzviertel. Ein Mehrfamilienwohnhaus, im Rückgebäude eine Backstube, 2. Stock. Julia Köberlein und Bernhard Scholz machen die Türe gemeinsam auf, bitten zum Gespräch in das Homeoffice. Ein Touch Privatheit, freundliche Atmosphäre und Offenheit. Gegründet haben sie zu dritt und sie kennen sich teils aus Uni-Zeiten. Die Konzeption und Koordination verantwortet Julia Köberlein, ihr Ehemann Bernhard Scholz besorgt den redaktionellen Part. Erich Seifert, der dritte im Bunde, lehrt an der Hochschule Augsburg und programmiert für den Kontext. Die Idee entstand aus einer Masterarbeit in Editorial-Design, sagt Julia Köberlein:
„Ich hab‘ zu der Zeit irgendwie die Süddeutsche und die FAZ abonniert und war eigentlich immer relativ interessiert an aktuellen Themen, aber hatte latent das Gefühl, ich versteh gar nicht, was passiert, mir fehlt Hintergrund und mir fehlt Einordnung.“
Ein Stipendium gab den Anreiz, das Magazin zu entwickeln. Pro Ausgabe wird nur ein Thema behandelt. Unter anderem gab es den Kontext bislang zu TTIP, dem Krieg in Syrien oder der Energiewende. Der Nutzer kann sich in das Thema einlesen, und wenn er Lust hat, tiefer eintauchen. Die einzelnen Aspekte werden in einer Art Netzdiagramm aufbereitet, spielerisch kann man sich mit der Maus durchklicken, wie Julia Körberlein zeigt: ..
(Atmo)
Das Online-Magazin ist in vollem Umfang nur für Mitglieder zugänglich, diese zahlen derzeit 80 Euro im Jahr und erhalten im Schnitt alle zwei Monate eine neue Ausgabe. Eine Crowdfunding-Kampagne Anfang 2016 brachte zum Online-Start 12.000 Euro . Das Medialab Bayern und ein weiteres Förderprogramm begleiteten die Entstehung von Kontext , das Medieninnovationszentrum Babelsberg förderte die Entwicklung der Open-Source-Software, die hinter dem Online-Auftritt steckt. Dazu kam das Honorar für eine Ausgabe, die für die Wirtschaftswoche produziert wurde. Der Kontext, das ist aber auch die von Mitgründer und Programmierer Erich Seifert entwickelte komplexe Software, die an andere Unternehmen verkauft wird. Diese Erlöse wiederum finanzieren das Magazin, erklärt Bernhard Scholz:
„Wir haben sehr viele Anfragen aus unterschiedlichsten Branchen. Das fängt an bei Energieversorgern an bis hin zu irgendwelchen NGOs. Ein Projekt, das in naher Zukunft auch fertig ist und auf das wir auch ziemlich stolz sind, is mit der UN in Genf, haben wir die vielen hundert Organisationen, die beitragen, die Sustainable Developement Goals umzusetzen und weil da so viele dran arbeiten, haben die selber keinen Überblick mehr gehabt, wer tut was.“
Sutainable Development Goals, das sind die Ziele nachhaltiger Entwicklung, die die UN samt den für sie tätigen Organisationen visualisiert haben wollte. Für das Magazin Kontext liefern rund zehn freie Autoren Texte, Videos, Erklärstücke, interviewen Experten, tauchen tief ein in die Themen. Doch dass der Kontext existieren kann, ist neben dem Technologieverkauf auch der Selbstausbeutung von Julia Köberlein und Bernhard Scholz geschuldet. Sie zahlen sich keine Gehälter. Die Produktionskosten bewegen sich zwischen geschätzten acht bis neuntausend Euro:
„Es ist einfach erstmal wichtig, dass die Redakteure auch Geld verdienen, dass das einfach auch voran geht. Und da wollen wir uns jetzt auch nicht an niedrigsten Tagessätzen orientieren, sondern wir schauen, dass es halt dann, soweit’s uns möglich ist, fair ist. Solange das nicht geht, engagieren wir halt auch nicht. Und das heißt eben auch, dass wir viele Dinge selber machen.“
Beide Säulen, die Mitgliedsbeiträge und die Einnahmen aus dem Software-Verkauf, sind laut Bernhard Scholz notwendig, damit Kontext sich tragen kann:
„Ich würde nicht sagen, dass der Kontext ein Nebenprodukt ist, sondern, das ist das Produkt, wo unser Herz dran hängt, warum wir diese Firma gegründet haben. Wir hatten einfach schon sehr früh im Blick, dass sich Journalismus rein über Mitglieder, über Abonnenten nicht finanziert. Das hat noch nie funktioniert in der Geschichte, zumindest nicht über längere Zeit.“
Spricht’s, lächelt leise vor sich hin, zwinkert, als ob er sagen wolle: Schau, auch eine gedruckte Zeitung lebt nicht alleine vom Erlös dessen, was an Auflage verkauft wird, sondern muss über Werbung querfinanziert werden.