Chefredakteurinnen in Bayern

Ein Audiobeitrag für das Medienmagazin von B5aktuell.

Hier das Skript. Kursiv die O-Töne.

Christina Knorz ist in vielerlei Hinsicht besonders. Die 40jährige hat seit dem Volontariat den Nordbayerischen Kurier nicht verlassen und stattdessen Karriere im eigenen Haus gemacht. Im zweiten Jahr übernahm sie ein Stadtmagazin, dann die Kulturredaktion und nach fünf Jahren war sie in der Redaktionsleitung. Eine mutige Entscheidung des Geschäftsführers, findet sie:

Ohne dass man Männer hat an den Entscheidungspositionen, die dran glauben, dass Frauen diesen Sprung in die Führungsebene auch schaffen können, geht‘s nicht, geht‘s noch nicht. Und der hat gesagt, die reißt immer‘s Maul so weit auf und meint, sie wisse wie‘s geht, soll sie‘s doch zeigen.

Alle zwei Jahre kam ein bisschen mehr an Verantwortung dazu, schließlich beerbte sie Joachim Braun als Chefredakteur, der nach Frankfurt ging. Weder Protektionismus noch besondere Förderung hätte sie auf dem Weg erfahren, meint Christina Knorz rückblickend. Sie schreibt den Aufstieg eher ihrem Verhalten zu:

Ich hab‘ ’n ziemliches Problem mit Autoritäten, von daher isses eher verwunderlich, dass die sich nicht davon haben abschrecken lassen, weil ich da niemandem gegenüber ‘n Blatt vor den Mund genommen hab‘ um zu sagen: Find‘ ich nich‘ so, seh‘ ich nich‘ so, auf welcher Grundlage is‘ das geschehen, was Du da tust?

In den Augen der Verlagsleitung war sie wohl die Richtige, konstatiert Knorz. – Alexandra Borchardt ist Chefin vom Dienst bei der Süddeutschen Zeitung und verantwortet auch Plan W – ein Wirtschaftsmagazin mit dem Schwerpunkt Frauen. Sind Verleger und Chefredakteure ihrer Ansicht nach zu mutlos, um Frauen zu berufen oder gar männerbündlerisch? – Es sind eher unbewusste Prozesse, glaubt Borchardt:

Jeder Chefredakteur guckt halt, wer könnte sich eignen, in Klammern: Wer ist genauso wie ich das auch mal war?, und in den allerseltensten Fällen taucht dann das Bild einer Frau vor dem geistigen Auge auf. Aber ich hoffe, dass sich das irgendwann ändert, denn genug qualifizierte Journalistinnen gibt es ja überall.

Borchardt vertritt die Ansicht, dass Frauen ihre Ellbogen einsetzen müssen. Bestes Beispiel: Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin. Auch, wenn Ellbogen nicht überall ankommen:

Es ist für eine Frau eine Gratwanderung gleichzeitig als durchsetzungsstark und als sympathisch wahrgenommen zu werden. Frauen kommen aber nicht weiter, wenn sie nicht als sympathisch wahrgenommen werden.

Es mache, so Borchardt, schon einen Unterschied, ob eine Kollegin über Hillary Clinton schreibe …

… die beurteilen kann, wie man als Frau in einer Führungsposition wahrgenommen wird und sich für solche Themen vielleicht auch interessiert oder wenn‘s ein Kollege schreibt, der denkt: Frau? Mann? Macht doch keinen Unterschied, ich guck einfach Hillary Clinton an.

In der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung findet sich nur eine Frau: Julia Bönisch, Chefin der Online-Ausgabe der SZ. Kein Zufall:

Ich glaube, dass es tatsächlich nen kleinen Unterschied gibt zwischen Print und Online, dadurch, dass es Print einfach viel länger gibt, die Print-Redaktion auf ‘ne viel längere Geschichte zurückblicken kann, sind da Strukturen sicherlich etablierter, um jetzt nicht das böse Wort verkrustet zu benutzen und deswegen hat man es da sicher schwerer in Positionen zu gelangen, von denen alte Hasen sagen: DAs war schon immer meins und das gebe ich nicht auf.

Frauen hätten es grundsätzlich im digitalen Bereich leichter, meint Bönisch. Da arbeiten jüngere Leute in einem jüngeren Geschäftsbereich. Und wie fühlt sich das an, so als Frau allein unter Chefredakteurs-Männern in der oberen Etage der Süddeutschen Zeitung?

Das ist schon so, dass ich dann auch das eine oder andere Mal gedacht habe, mein Wort hat vielleicht auch deshalb mehr Gewicht, weil ich ja doch auch mindestens die Hälfte der Leserschaft repräsentiere und ich bin die einzige die am Tisch, die das halbwegs glaubhaft vertreten kann.

Und noch ein Punkt fällt Bönisch auf:

Was ich durchaus erlebe und was mich oft ärgert, dass Frauen bei Kritik das gerne auf ihr Frau-sein zurückführen, sich aber dann, finde ich, viel zu selten fragen, was ist denn wirklich dran, ist was dran und was kann ich denn davon mitnehmen?

Frauen in Leitungsfunktionen kommunizieren und führen anders, stellt sie fest, mehr zu kämpfen hätten sie aber nicht.. Vielleicht hilft den männlichen Verlegern künftig bei der Besetzung von Chefredaktionen mit Frauen aber auch eine Leitlinie, die Christina Knorz vom Nordbayerischen Kurier hat: Respekt.

Es kommt doch drauf an, ob man sich in die Augen schauen kann und ob man miteinander was zustande bringt, aber ob das jetzt‘n Vorstandsvorsitzender oder der Hausmeister, ist im Zweifelsfall der Hausmeister noch die wichtigere Person, dass in dem Laden täglich was läuft.

Journalistinnen, die in Leitungspositionen wollen, gibt Knorz einen Rat mit auf den Weg:

Chef zu sein hat viel damit zu tun, ob sie ihren persönlichen Krempel aus dem Job raushalten können, ob sie in der Lage sind, ihre persönlichen Komplexe nich an den Kollegen auszulassen.