Der Beitrag ist hier nachhörbar. Das Manuskript, die O-Töne sind kursiv:
Am innerstädtischen Isarufer gelegen, mit Blick auf Friedensengel zur linken und Maximilianeum zur rechten – in einem dieser klassizistischen Häuser der Widenmayerstraße treffe ich Marcus von Jordan, den Geschäftsführer von piqd. Eigene Bureaus hat man nicht, die tageweise Miete in einer Kreativ- und Werbeagentur reicht:
Zwei, drei Tage in der Woche sitzen Programmierer hier. Ich arbeite in aller Regel am Pilsensee. Wir haben ein weiteres Ein-Zimmer-Büro in Berlin, da sitzt unser Chefredakteur und so sind wir also ein ganz moderner, extrem agiler Startup, wo die Leute gut verteilt sind und sehr viel mit Skype und Slack und all diesen Tools arbeiten.
Und damit wird das Netz kommentiert. Statt eines Algorithmus bekommt der User bei piqd handverlesene Empfehlungen für spannende Beiträge zu unterschiedlichen Interessensgebieten. Fachleute suchen sie als Kuratoren aus:
Nach nem guten Jahr können wir sagen, der Bedarf ist total da und es leuchtet den Usern offensichtlich ein, dass sie diese Kuration von Menschen vornehmen lassen und nicht von der Maschine.
Nach einer kostenlosen Testphase ist man für einen Betrag von drei Euro im Monat dabei. Dafür gibt’s ein personalisiertes Magazin zu ausgewählten Themen, einen persönlichen Newsletter, der Abonnent darf in der Community Empfehlungen kommentieren oder eigene Empfehlungen verfassen. Seit kurzem gehört dazu auch die Mitgliedschaft bei der globalen, englischsprachigen Plattform, die erst Mitte Februar an den Start ging. Und ganz neu kooperiert piqd mit Blendle, einem Portal, bei dem man Artikel, die hinter einer Bezahlwand sind, einzeln kaufen kann.
Eine von rund 140 Kuratorinnen ist Antje Schrupp. Die Publizistin aus Frankfurt schätzt die Nachhaltigkeit der Debatten:
Wir sind als piqer und piqerinnen aufgefordert, auch ältere Artikel, wenn sie ’ne neue Aktualität bekommen oder vielleicht noch nicht aufgefallen waren, eben auch nochmal zu empfehlen. Es ist auch möglich, wirklich zu schauen, was sind denn wichtige und interessante Texte aus den Themengebieten, für die ich da als Expertin oder als Experte zuständig bin.
Die Publizistin, zuständig für die Themenbereiche Wirtschaft und Beziehungen, sieht die Besonderheit des Startups darin, dass Kuratoren ausreichend Platz haben für Begründung, Kommentar, Einordnung, …
… warum man das lesenswert findet oder warum man es empfiehlt, auch nen kleinen Kommentar hinzuzufügen. Auf diese Weise kann zum Beispiel auch gut Texte und Links empfehlen, mit denen man inhaltlich nicht hundertprozentig einverstanden ist, weil man es eben in nen Kontext stellen kann in dem einleitenden, eigenen Text.
Für Kuratoren gibt es einen Anreiz, bei piqd einzusteigen: rund 50 Euro gibts pro Empfehlung, reich werden wird allerdings keiner dabei: Bei 300 Euro klappt der Deckel runter, sagt Geschäftsführer Markus von Jordan:
Aber es gibt durchaus auch Kuratoren, die eben eher so auf’m Künstlerlevel arbeiten und für die des durchaus ’n relevantes Zubrot ist. Aber was, glaub‘ ich, viel wichtiger is’, is, dass sie bei piqd machen, was sie wollen. Die sind sowohl in der Auswahl dessen, was sie empfehlen, als auch in der Frequenz vollkommen frei.
Piqer Simon Hurtz, Redakteur bei der SZ und zuständig für Medien und Gesellschaft, sieht das Startup auf einem guten Weg: Die Initiatoren achten darauf, dass die Kuratoren eine möglichst große Bandbreite abdecken, ob bei Alter, Geschlecht oder Beruf. Journalisten werden derzeit nicht mehr beauftragt, es sind schon zu viele, meint Hurtz. Er sieht die meisten Journalisten im links-liberalen Spektrum, weiß aber um die Bemühungen, auch konservative Meinungen abzubilden:
Sie suchen gezielt nach Menschen, die also nich irgendwie rechtsaußen, aber halt gerne auch mal konservativer sind, dass wir so das komplette Spektrum abdecken und dementsprechend auch andere Quellen mit reinkommen. Weil ich seltener Texte von, ja, konservativen und rechten Medien lese, und dann dementsprechend auch deutlich seltener empfehle.
Der User darf sich gut fühlen, denn er unterstützt die laut Eigenwerbung „Programmzeitung für hochwertigen und ausgewählten Journalismus im Netz“. Rund 35.000 Newsletter-Abonnenten gibt es aktuell, die sich die Personalisierung etwas kosten lassen. Trolle werden dadurch auch aus Diskussionen in der Community ferngehalten. Jordan betont, dass piqd den Anbietern der Inhalte helfe:
Unser Journalismus ist immer nur die Einordnung ’nd die Empfehlung der Inhalte. Den Traffic, den bekommen ja dann sozusagen die, die den originären Inhalt zur Verfügung gestellt haben. Wenn wir irgendwie so weiter wachsen wie bis jetzt und vielleicht so ’ne zehn Prozent oder fünf bis zehn Prozent Konversion schaffen von Leuten, die bereit sind, Mitglieder zu werden, dann wären wir in absehbarer Zeit zumindest auf ’ner schwarzen Null.
Solange wird Konrad Schwingenstein, Gründer und Geldgeber, noch zuschießen müssen. Dessen Großvater August Schwingenstein, Mitbegründer der Süddeutschen Zeitung, hätte es in der Widenmayerstraß’, an der Isar, zwischen Praterinsel und Stadtrand, in Sichtweite zum Landtag und zum Friedensengel, sicher auch gefallen.